Fügen im Automobilbau 1
Trockenschmierstoff als Einflussgröße der Klebe-Performance
Die Klebefähigkeit von Aluminiumblechen für Automobilanwendungen wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Neben Einflussgrößen wie Textur und Oberflächenchemie sind auch fortführende Prozessschritte, insbesondere jene bei unseren Kunden, entscheidend für die Beständigkeit von Verklebungen. Wissen und Verständnis über die Relevanz dieser Einflussgrößen befähigt die Optimierung von Prozessen, die Auswahl von Klebstoffen sowie die Entwicklung von Klebetests. Trockenschmierstoffe sind unverzichtbar für ein qualitativ hochwertiges Umformverhalten von Aluminiumblechen für Automobilanwendungen. Jedoch werden diese im Interesse einer effizienten Prozessführung bei nachgelagerten Montage- und Fügeprozessen häufig nicht entfernt. Da Kleben als Fügetechnik in der Automobilindustrie weit verbreitet ist und dessen Bedeutung stetig wächst [1], wurde der Einfluss von Trockenschmierstoffen auf die Klebefestigkeit untersucht. Für Kunden und Anwender ist die Langzeitstabilität von Klebeverbindungen von entscheidender Bedeutung. Mit Hilfe verschiedener Prüfverfahren sowie Techniken zur Klimasimulation können Einflussgrößen für die Degradation an der Grenzfläche zwischen Klebstoff und Metalloberfläche untersucht werden [2]. Verschmutzung oder Schmierstoffreste können unter diesen Klimabedingungen ebenfalls chemische Reaktionen auslösen, welche die Beständigkeit der Klebeverbindungen schädigen [3]. Die vorliegende Studie zeigt den Einfluss von Trockenschmierstoffen auf die Haftfestigkeit und das Korrosionsverhalten von Klebeverbindungen aus 6xxx Aluminiumlegierungen [4].
Ergebnisse und Diskussion
Die Klebeproben wurden für diese Untersuchungen in einem beschleunigten Korrosionstest direkt in einer NaCl-Lösung gealtert (Immersionstest). Für den Vergleich wurden die Probenoberflächen vor dem Verkleben ohne und mit Trockenschmierstoff (1 g/m²) präpariert. Über die Dauer von 7 Tagen wurden täglich Proben entnommen und ausgewertet. Die Ergebnisse in Abbildung 1 zeigen im direkten Vergleich den Einfluss des Trockenschmierstoffes (TS) auf das Korrosionsverhalten der verklebten Aluminiumproben. Nach einem geringen anfänglichen Abfall innerhalb der ersten 48 Stunden zeigen jene Proben ohne Schmierstoff eine relativ konstante Restfestigkeit über die gesamte Testdauer. Proben mit Trockenschmierstoff hingegen weisen einen erheblichen Verlust an Restfestigkeit auf.Die Bruchbildanalyse der Proben ohne Trockenschmierstoff (Abbildung 2) zeigt keinen korrosiven Angriff der Metall-Klebstoff-Grenzfläche, über die gesamte Testdauer hinweg liegt konstant kohäsives Versagen vor. Im Vergleich dazu zeigen jene Proben mit Trockenschmierstoff bereits nach den ersten 24 Stunden der Prüfung einen korrosiven Angriff (Abbildung 2). Mit zunehmender korrosiver Unterwanderung der Klebefuge nimmt die Restfestigkeit der Zugscherprobe ab. Nach der maximalen Testdauer von 7 Tagen zeigt das Bruchbild eine korrosive Delamination über die gesamte Klebefuge. Um den schmiermittelinduzierten Korrosionsmechanismus detaillierter zu untersuchen, wurden die jeweiligen Querschnitte der getesteten Klebeverbindungen charakterisiert.
Die Abbildung 3 zeigt REM-Querschnittsbilder einer Klebeverbindung mit Trockenschmierstoff nach fünf Tagen Immersionstest. Der Klebstoff ist über die gesamte Klebefuge delaminiert und zeigt bereits eine Degradation in der Mitte (Abbildung 3 c). Dieses Verhalten ist auf eine Spaltkorrosion aufgrund des entstehenden Konzentrationsgradienten [5] zurückzuführen.
Verdrängung der Trockenschmierstoffmenge
Neben der Auswirkung auf die Klebe-Performance zeigt Abbildung 1 bereits im Ausgangszustand den Einfluss des Trockenschmierstoffes auf die mechanischen Eigenschaften der Klebeverbindungen. Die Proben mit Schmierstoff weisen eine um bis zu 7 % reduzierte Zugscherfestigkeit auf. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Klebstoff den Trockenschmierstoff nicht vollständig absorbieren kann. Um diesen Effekt zu untersuchen, wurden Zugscherprüfungen an speziell hergestellten Klebeprüfkörpern mit ansteigender Trockenschmierstoffmenge von 0 bis 5 g m2 durchgeführt (Abbildung 4). Der Klebstoff wurde dafür mit der entsprechenden Trockenschmierstoffmenge vermischt und anschließend mit Hilfe einer Gussform in das nötige Format eines Zugscherprüfkörpers (EN ISO 525-2:2012) gebracht. Die Ergebnisse bestätigen, dass der Trockenschmierstoff die Zugscherfestigkeit des Klebstoffes an sich verringert. Diese Veränderung zeigt eine stete Abnahme bei zunehmender Schmierstoffmenge, welche durch eine Verdrängung des Trockenschmierstoffes aus der Klebeverbindung erklärt wird. Die mikroskopische Untersuchung einer Draufsicht auf eine Klebefuge mit hoher Trockenschmierstoffmenge zeigt ein Herausquellen des Schmierstoffes und somit eine unvollständige Absorption durch den Klebstoff. Der Schmierstoff wird aus der Fuge verdrängt und erzeugt einen Keil und folglich eine größere Angriffsfläche. Diffusionsprozesse von korrosiven Bestandteilen, wie Cl- oder H2O aus dem Tauchbad werden dadurch verstärkt welche wiederum Korrosionsreaktionen begünstigen.
Aufquellen des Klebstoffes
Epoxidklebstoffe (wie auch in dieser Studie verwendet) neigen prinzipiell dazu, Wasser zu absorbieren, wodurch eine Volumenvergrößerung auftritt. Tabelle 1 zeigt die Quellung, daher die Volumenänderung, einer Klebstoffprobe nach DIN EN ISO 62:2008 beim Eintauchen in deionisiertes Wasser (DI) und 5 Gew.-% NaCl-Lösung bei 70 °C.Die genaue Größe der 40 x 40 mm2 großen Proben wurde mit einer Schieblehre mit einer Genauigkeit von 0,01 mm gemessen. Die entsprechende Volumenänderung wurde anhand von Gleichung 1 berechnet, wobei V1 und V2 die Volumina vor und nach dem Eintauchen sind.
Aufgrund des Umkehrosmoseverhaltens [6] führt das Eintauchen in DI-Wasser zu einer höheren Volumenänderung als das Eintauchen in 5 Gew.-%ige NaCl-Lösung. Darüber hinaus wird in der Literatur berichtet, dass die Quellung des Klebstoffs aufgrund der unterschiedlichen Expansionsraten von Polymer und anorganischen Bestandteilen Hohlräume in der Nähe der anorganischen Füllstoffe innerhalb des Polymernetzwerks bildet. Dadurch entsteht freies Volumen, in welches Wasser oder Immersionslösung durch Diffusion eindringen [7].Abbildung 6 bestätigt das Vorhandensein von Hohlräumen in der Nähe der anorganischen Füllstoffe innerhalb des Polymernetzwerks des Klebstoffs nach dem 7-tägigen Eintauchen in 5 Gew.-%ige NaCl-Lösung bei 70 °C. Diese Hohlräume begünstigen die Diffusion der Immersionslösung, wodurch folglich Korrosion an der Grenzfläche zwischen Aluminium und Klebstoff auftreten kann.
Veränderung der Polymermatrix
An der Grenzfläche zwischen Aluminium und Klebstoff steht der Trockenschmierstoff in direktem Kontakt und kann mit dem Klebstoff chemisch reagieren. Drei verschiedene Polymermischungen mit Trockenschmierstoff-Konzentrationen von null bis 1 Gew.-% wurden hergestellt, um die Wechselwirkung des Schmierstoffes mit den mechanischen Eigenschaften des Klebstoffs zu simulieren. Das Ergebnis des Zugversuchs mit allen drei Mischungen ist in Abbildung 7 dargestellt und zeigt eine Veränderung der mechanischen Eigenschaften des Klebstoffs durch den Trockenschmierstoff. Mit zunehmender Schmiermittelkonzentration sinken sowohl Bruchspannung als auch Elastizitätsmodul, jeweils um 7 % bei Zugabe von 1 % Trockenschmierstoff. Der Anstieg der Bruchdehnung mit zunehmender Trockenschmierstoff-Konzentration ist das Ergebnis einer schmierstoffbedingten Plastifizierung des Klebstoffs. Diese Plastifizierung wurde auch bei der dynamisch-mechanischen Analyse (DMA-Analyse) beobachtet.
Immersionsdauer [Tage] | Volumenänderung in DI [vol.%] | Volumenänderung in NaCl-Lösung [vol.%] |
---|---|---|
7 | 17 | 12 |
14 | 18 | 14 |
21 | 19 | 15 |
Der Verlustfaktor tan δ ist ein Maß für die dissipierte Energie der Proben und das Spitzenmaximum seiner Kurve kann zur Bestimmung der Glasübergangstemperatur Tg verwendet werden [8]. Wie aus Abbildung 8 hervorgeht, verringert der Trockenschmierstoff die Glasübergangstemperatur des Epoxidpolymers um 2,5 °C. Dieser Befund ist die doppelte Bestätigung für eine trockenschmierstoffbedingte Veränderung der mechanischen Eigenschaften des Klebstoffs.Neben der Veränderung der mechanischen Eigenschaften des Klebstoffs durch den Schmierstoff zeigen DSC-Analysen der Klebstoffmischungen zudem eine bedingte Veränderung der thermischen Eigenschaften des Epoxidpolymers. Der Schmierstoff senkt die Erstarrungstemperatur, was zu einer früheren Aushärtungsreaktion führt. Ebenso wird das Spitzenmaximum der Wärmeflusskurve durch den Trockenschmierstoff um 5 °C reduziert. Die Bildung des Polymernetzwerks während der Aushärtung weist aufgrund des Trockenschmierstoffes insgesamt eine höhere Exothermie auf (Abbildung 9).
Schädigungsmechanismus
Ausgehend von den Ergebnissen scheint der verantwortliche Korrosionsmechanismus eine Kombination aus drei Faktoren mit unterschiedlichen Auswirkungen zu sein. Die Zersetzung des Klebstoffs bei beschleunigten Korrosionstests ist ein zu erwartender Prozess und tritt auch bei nicht geschmierten Proben auf. In diesem Fall jedoch fördert der Trockenschmierstoff den Abbau aufgrund der unvollständigen Absorption des Schmiermittels aus dem Klebstoff. Die Folge ist eine Verdrängung aus der Klebefuge heraus, die einen Keil mit einer folglich größeren Angriffsfläche erzeugt (Abbildung 10, Nr. 3). Zusätzlich begünstigt die dargestellte Quellung (Abbildung 10, Nr. 2) des Klebstoffs in der Immersionslösung weitere Diffusionsprozesse, insbesondere in Wechselwirkung mit dem verdrängten Schmierstoff. Durch die Quellung des Klebstoffs entstehen Hohlräume in der Nähe der anorganischen Füllstoffe innerhalb des Polymernetzwerks. Durch das vergrößerte freie Volumen kann der Klebstoff mehr Immersionslösung aufnehmen, wodurch Korrosion an der Aluminium-Klebstoff-Grenzfläche begünstigt wird. Der Restschmierstoff steht an dieser Grenzfläche in direktem Kontakt mit dem Klebstoff (Abbildung 10, Nr. 1). Chemische Reaktionen und Wechselwirkungen führen so zu Veränderungen von mechanischen und thermischen Eigenschaften der Epoxidpolymermatrix.
Schlussfolgerung
Trockenschmierstoffe sind für ein qualitativ hochwertiges Umformverhalten von Aluminiumblechen im Automobilbereich unverzichtbar. Jedoch werden diese im Interesse einer effizienten Prozessführung bei nachgelagerten Montage- und Fügeprozessen häufig nicht entfernt. Verbleibende Mengen von Schmierstoffen oder Verunreinigungen auf der Metalloberfläche sind ein bedeutender Einflussfaktor für die Haltbarkeit der Klebeverbindungen. Im Vergleich zu einer blanken Referenz fördert der Trockenschmierstoff während der Alterung eine stärkere Schädigung der Klebeverbindung. Die Bruchbildanalyse zeigt bereits nach 24 Stunden Testdauer eine korrosive Schädigung der Klebestelle. Ein Querschnitt einer getesteten Verbindung zeigt korrosive Delaminationen des Klebstoffs, welche zu einer signifikanten Änderung der mechanischen Eigenschaften der Fügeverbindung führt. Darüber hinaus beeinflusst die Belastungsmenge des Trockenschmierstoffs die Zugscherfestigkeiten bereits im Ausgangszustand. Die mikroskopische Charakterisierung zeigt eine Verdrängung aus der Fuge, was auf eine unvollständige Absorption des Trockenschmierstoffes aus dem Klebstoff hinweist. Die Verdrängung begünstigt die Diffusion von korrosiven Medien. Diese Diffusion führt zu einer Quellung des Klebstoffs und bildet Hohlräume in der Nähe der anorganischen Füllstoffe innerhalb des Polymernetzwerks. Diese Hohlräume begünstigen zusätzlich die Diffusion von Ionen aus der Immersionslösung, welche die Korrosionsprozesse an der Aluminium-Klebstoff-Grenzfläche fördert. Überdies steht der Trockenschmierstoff an dieser Grenzfläche in direktem Kontakt mit dem Klebstoff, wodurch es basierend auf Wechselwirkung zu einer Veränderung der mechanischen und thermischen Eigenschaften des Klebstoffes kommt. Zugversuche und eine DMA-Analyse ergaben eine schmierstoffinduzierte Plastifizierung mit einer Senkung der Glasübergangstemperatur des Klebstoffs.Der Trockenschmierstoff wirkt sich auch auf das Aushärtungsverhalten aus, welches mittels DSC-Analyse beobachtet wurde. Im Allgemeinen können Epoxidklebstoffe laut Hersteller bis zu 5 g/m2 Oberflächenöle aufnehmen. Die durchgeführten und reproduzierbaren Tests zeigen zumindest für diese spezielle Auswahl von Klebstoff und Alterungsmethode jedoch eine signifikant negative Auswirkung des Schmierstoffes auf die Klebeeigenschaften. Eine gleichmäßige Verteilung des Schmierstoffes sowie eine ausreichende Oberflächenreinigung vor der Verklebung wirken diesem Effekt entgegen und verbessern die Klebebeständigkeit des Fügeteils.
Kundennutzen
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Eine Liste der zitierten Literatur finden Sie in der Online-Ausgabe des AluReports.
Literaturverzeichnis:
[1] European Aluminium Association, EAA Aluminium Automotive Manual - Joining, The Aluminium Automotive Manual, European Aluminium Association: Ljubljana, Slovenia, 2015, 1-5[2] D. Mercier, J.-C. Rouchaud, M.-G. Barthés-Labrousse, “Interaction of amines with native aluminium oxide layers in non-aqueous environment: Application to the understanding of the formation of epoxy-amine/metal Interphases”, Appl. Surf. Sci. 254 (2008) 6495-6503[3] J. Hirsch, “Recent development in aluminium for automotive applications”, Trans. Nonferr. Met. Soc. China 2014[4] R. Gruber, T. D. Singewald, T. M. Bruckner, L. Hader-Kregl, M. Hafner, D. Stifter, „Influence of Dry-Film Lubricants on Bond Strength and Corrosion Behaviour of 6xxxAluminium Alloy Adhesive Joints for the Automotive Industry”, Lubricants 11 (2023) 43[5] N. LeBozec, D. Thierry, “Influence of test parameters in an automotive cyclic test on the corrosion and mechanical performance of joined materials”, Materials and Corrosion 66 (2015) 1051-1059[6] R.C.L. Tai, Z. Szklarska-Smialowska, “Effect of fillers on the degradation of automotive epoxy adhesives in aqueous solutions: Part I Absorption of water by different fillers-incorporated automotive epoxy adhesives”, J. Mater. Sci. 28 (1993) 6199-6204,[7] T. M. Bruckner, T. D. Singewald, R. Gruber, L. Hader-Kregl, M. Klotz, M. Müller, G. Luckeneder, M. Rosner, C. Kern, M. Hafner, C. Paulik, “Water absorption and leaching of a 1K structural model epoxy adhesive for the automotive industry”, Polymer Testing 117 (2023) 107870[8] A. Chateauminois, B. Chabert, J.P. Soulier, L. Vincent, “Dynamic mechanical analysis of epoxy composites plasticized by water: Artifact and reality”, Polym. Compos. 16 (1995) 288-296
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