DIGITALER PRODUKTEPASS FÜR ALUMINIUM
AMAG und coilDNA schreiten voran
Der Digitale Produktpass der EU (kurz DPP) ist eine Initiative der Europäischen Union, mit der ab 2027 schrittweise zahlreiche in der EU verkaufte Produkte mit einem digitalen Produktpass ausgestattet werden. Dieser Pass wird umfassende Informationen über die Herkunft, Materialien, Umweltbelastung und Entsorgungsempfehlungen eines Produkts bereitstellen. Die normative Grundlage dafür bildet die EU-Ökodesignverordnung (Ecodesign for Sustainable Product Regulation oder kurz ESPR, veröffentlicht Juni 2024) und weitere darauf aufbauende Rechtsakte. Ziel der ESPR ist es, die Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erhöhen und nachhaltige Praktiken zu fördern.
Nach aktuellem Arbeitsplan der Europäischen Kommission (Ökodesign-Forum) sind Halbzeuge aus Stahl- und Aluminium priorisiert in der Umsetzung des DPP. Hauptgründe dafür sind die wirtschaftliche Bedeutung der Metallindustrie, die Umweltauswirkungen in der Produktion sowie die Präferenzen der befragten Stakeholder-Gruppen.Die gesetzlichen Vorgaben für die Umsetzung des DPP in der Stahlindustrie werden bis 2026 und für die Aluminiumindustrie bis 2027 vorliegen [1]. Diese Vorschriften treten frühestens 18 Monate nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Inverkehrbringer von Stahl- und Aluminium müssen als Wirtschaftsakteure (Economic Operator) die Anforderungen der ESPR erfüllen und einen digitalen Produktpass bereitstellen. Die neuen gesetzlichen Regelungen zielen darauf ab, Produkte und Materialien hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen zu verbessern.
Sie fokussieren folgende für Aluminium relevante Kriterien (ESPR Artikel 5):
- Energie und Wasserverbrauch
- Rezyklatanteil und Recyclingfähigkeit
- Möglichkeit der Rückgewinnung
- Umweltauswirkungen einschließlich des CO2-Fußabdrucks und Umweltabdruck.
Daraus ergeben sich aus heutiger Sicht einige Herausforderungen in der frühzeitigen Vorbereitung auf den digitalen Produktpass:
- Datenverfügbarkeit: Gemäß den kommenden gesetzlichen Anforderungen werden Kennwerte für Metalle bereitgestellt, um die Umweltleistung der Produkte entsprechend den genannten Kriterien nachzuweisen.
- Materialkodierung: Ein entscheidender Faktor bei der Implementierung des DPP ist die lückenlose Nachverfolgbarkeit der Produkte in jeder Phase der Wertschöpfungskette. Besonders herausfordernd gestaltet sich dabei der Übergang vom Vormaterial zum Serienprodukt (z.B. Aluminiumcoil -> Pressteil).
- IT-Systeme zur Datenbereitstellung: Die Europäische Kommission verfolgt einen dezentralen Ansatz, bei dem jeder Wirtschaftsakteur selbst die relevanten Daten bereitstellt und verfügbar macht, gegebenenfalls mit Unterstützung von DPP-Serviceanbietern.
Das aktuelle Pilotprojekt von AMAG, coilDNA und GS1
Seit mehreren Jahren ist Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil der AMAG-Strategie. Im Jahr 2013 wurde die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß den aktuellen Standards eingeführt und im Laufe der Jahre kontinuierlich an gesetzliche Anforderungen sowie an jene der verschiedenen Interessengruppen angepasst. Die AMAG verfügt daher über ein umfassendes und zertifiziertes Reportingsystem für nicht-finanzielle Leistungsindikatoren (Geschäftsbericht gemäß ESRS, NaDiVeG und der EU-Taxonomie-Verordnung). Diese Datengrundlage bildet eine solide Basis für die Erstellung und Bereitstellung von produktspezifischen Informationen im Rahmen künftiger Ökodesign-Anforderungen (Datenverfügbarkeit).
Die AMAG IT Tochtergesellschaft coilDNA, gegründet im Jahr 2019, hat mit ihrer patentierten Kodierungstechnologie die Grundlage für eine lückenlose Nachverfolgung von Metallen vom Coil bis zum Endprodukt geschaffen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um den zukünftigen Anforderungen des digitalen Produktpasses gerecht zu werden. Die durchgängige Markierung des Metallbandes, gegebenenfalls in mehreren Codierungsspuren, ermöglicht die eindeutige Identifikation von Einzelteilen und die Rückverfolgbarkeit der damit verbundenen Daten. Aufgrund der Eindeutigkeit des coilDNA-Codes können auch Daten, die über die Länge des Bandes variieren, eindeutig dem jeweiligen Teil zugeordnet und in nachgelagerten Produktionsschritten zur Optimierung verwendet werden. Somit kann der mit dem Material verbundene Produktpass neben den gesetzlich geforderten Daten auch prozessrelevante Material- und Qualitätsdaten mit Längenbezug liefern und so einen Mehrwert für alle Beteiligten schaffen (Materialkodierung).
Kundennutzen
Durch die gemeinsam mit CoilDNA und GS1 geleisteten Vorarbeiten zum Digitalen Produktpass für Metalle ist coilDNA in der Lage, mit Interessenten aus der Metallindustrie (Aluminium, Stahl, Kupfer, etc.) Lösungen zur digitalen Rückverfolgbarkeit des Materials vom Coil bis zum fertigen Bauteil oder Endprodukt zu entwickeln. Damit können einerseits die formalen Anforderungen des Digitalen Produktpasses erfüllt werden, andererseits wird eine unternehmensübergreifende und datengetriebene Optimierung der Produktprozesse ermöglicht.Treten Sie mit coilDNA in das Internet of Materials ein.
Die AMAG nimmt über coilDNA an den Arbeitsgremien (CEN/CLC/JTC 24) zur Ausarbeitung der Normen zum digitalen Produktpass teil. Insbesondere im Bereich der eindeutigen Produktbezeichnung (Unique Identifier) und Datenträger (Data Carriers) werden Fragen zur eindeutigen Produktidentifikation, zur digitalen Repräsentanz von Produkten sowie zu deren Verbindung mit dem physischen Produkt bearbeitet. Die zugehörige Norm soll nach aktuellem Wissensstand bis Ende Q1/2026 fertiggestellt sein. Obwohl Coils in unterschiedlicher Form von den verschiedenen Herstellern gekennzeichnet werden, sind Markierungen am Band oder Blech die Ausnahme. Zahlreiche Kundenprojekte bei coilDNA bestätigen bereits die Notwendigkeit zur Nachverfolgung von Einzelteilen in der Verarbeitung vom Coil zum Endprodukt. An dieser Stelle schließt sich somit der Kreis zu GS1 Switzerland. Ausgehend von einem weltweit etablierten System zur Identifikation von Produkten mittels standardisiertem Nummernsystem (GTIN) sowie verschiedenen Kodierungsmethoden (Bar- oder QR-Code, Data Matrix, RFID) wurde in einem ersten Piloten eine Struktur für die eindeutige Identifikation von Coils sowie der daraus hergestellten Einzelteile entwickelt. Der coilDNA-Code stellt hier eine sinnvolle Ergänzung der bereits etablierten Vorgehensweise dar (IT-Systeme zur Datenbereitstellung).
Aus den gemeinsamen Aktivitäten der AMAG mit coilDNA und GS1 ist ein erster Mock-up eines digitalen Produktpasses entstanden, der über den Weblink DPP Pilot AMAG | coilDNA erreichbar ist.
Dieser Produktpass ist ebenfalls über jedes einzelne aus dem Coil erzeugte Blechteil mittels coilDNA-Webservice coilDNA - The IoM company erreichbar (TRY IT OUT Demo -> coilDNA Code auf Blechmuster scannen oder eingeben -> DPP öffnen)
Statement

AluReport: Können Sie uns mehr über Ihre Zusammenarbeit mit coilDNA und AMAG erzählen, und wie diese Technologie den zukünftigen digitalen Produktpass im Bereich der Metalle unterstützt?
DH: Es war eine Freude mit coilDNA und AMAG ideale Partner für die frühzeitige Pilotierung und das Testing einer künftigen IT-Struktur für den digitalen Produktpass im Aluminiumbereich gefunden zu haben. Die coilDNA-Technologie bildet eine ausgesprochen wirkungsvolle Ergänzung der offenen Standards von GS1.
AluReport: Was macht die coilDNA-Technologie so besonders in diesem Zusammenhang?
DH: Das Mapping vom einzelnen mit coilDNA markierten Blech über einen GS1 Identifikationsschlüssel zum digitalen Produktpass stellt eine wertvolle Ergänzung und Grundvoraussetzung für das Funktionieren des digitalen Produktpasses in der industriellen Wertschöpfungskette dar.
AluReport: Können Sie die Vorteile des Zusammenspiels der GS1 Identifikation und des coilDNA-Codes genauer erläutern?
DH: Ein GS1 Identifikationsschlüssel entfaltet seine Stärke sobald in offenen Lieferketten Produkte bewegt werden, wohingegen der Code von coilDNA dies innerhalb dynamischer Fertigungsprozesse werksintern wirtschaftlich sicherstellt.
Quellen:
[1] Quelle: ESPR and Energy Labelling Working Plan 2025-30, https://environment.ec.europa.eu/document/5f7ff5e2-ebe9-4bd4-a139-db881bd6398f_en[2] Dominik Halbeisen von GS1 Schweiz verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Lieferkettenverwaltung und Logistik, mit einem besonderen Fokus auf Rückverfolgbarkeit. Mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung in der Gestaltung und Implementierung von Logistikinfrastruktur, der Formung von Lieferketten und der Einführung von Rückverfolgbarkeitslösungen besitzt er fundiertes Wissen über die Komplexitäten des kommenden Digitalen Produktpasses (DPP).
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