Virtuelle Walztechniken der AMAG

Wie man Modellierung als Methode für eine schnellere Produktentwicklung einsetzt

Mathematische Modellierung und computergestützte Analysen ermöglichen ein tieferes Verständnis der Fertigungsprozesse, gewährleisten die hohe Qualität der AMAG-Produkte und reduzieren den experimentellen Aufwand zur Verbesserung der Produkteigenschaften und Produktionsprozesse. Um die Entwicklung der Eigenschaften flachgewalzter Aluminiumprodukte und deren Wechselwirkungen mit den Prozessparametern vorherzusagen, sind virtuelle Darstellungen des gesamten Prozessablaufs einschließlich Prozessmodellen für Warmwalzen, Coiling und Kaltwalzen von großem Nutzen.

Die Modellierungsstrategie von AMAG basiert auf komplexen numerischen dreidimensionalen Modellen für das Warmwalzen von Aluminiumlegierungen, die in der Vergangenheit entwickelt wurden (siehe AluReport 03/2019). Diese Modelle berücksichtigen elastische Verformungen der Arbeitswalzen und ihrer thermischen Kronen, Stützrollen und Gestellverformungen. Neben Walzentrennkräften, Temperatur und Mikrostrukturentwicklung liefern diese Modelle zuverlässige Vorhersagen zum Bandprofil und zur Kantenverformung. Aufgrund des hohen Detaillierungsgrades sind die Rechenkosten solcher Modelle immens, was sie für fortgeschrittene numerische Studien oder Mehrstufensimulationen in einer industriellen Umgebung unpraktisch macht. Die Erweiterung dieser Modelle um aufeinanderfolgende Kaltwalzstufen erhöht die rechnerische Komplexität noch weiter. Daher wird ein reduziertes thermomechanisches Kaltwalzmodell unter Verwendung des kommerziellen Finite-Elemente-Codes LS-DYNA zur Vorhersage von Walzentrennkräften, Temperaturen und Mikrostrukturentwicklung etabliert.Dieses neu bei AMAG entwickelte Kaltwalzmodell besteht wie das Warmwalzmodell ausschließlich aus einer Reihe von dreidimensionalen Volumenelementen in Breitenrichtung. Die auferlegten Randbedingungen beschränken die Freiheitsgrade der Netzknoten auf translatorische Bewegungen in Längen- und Dickenrichtung. Bewegungen in Breitenrichtung werden unterdrückt, was zu ebenen Dehnungsbedingungen der Elemente führt.

Aufbau des Modells

Figure_1
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Simulationsaufbaus einschließlich der Randbedingungen

Der grundlegende Aufbau und die Randbedingungen sind in Abbildung 1 dargestellt. Beide Arbeitswalzen sind modelliert, wobei bewusst auf Symmetrie verzichtet wurde, da Walzbedingungen auftreten können, bei denen die Bandmitte in Dickenrichtung nicht horizontal zur Walzspaltmittellinie ausgerichtet ist. Die Rückwärtsbandzugkraft S0 und die Vorwärtsbandzugkraft S1 werden durch Kräfte modelliert, die den jeweiligen Bandzugspannungen an den Knotenpunkten jedes Bandendes entsprechen. Der Zweck der Bandspannung besteht darin, die Walzentrennkräfte, insbesondere beim Kaltwalzen, zu reduzieren und die Bandführung zu stabilisieren.Darüber hinaus müssen die thermischen Effekte berücksichtigt werden, die während des Kaltwalzprozesses auftreten. Die beim Kaltwalzen auftretende Verformung im Walzspalt führt zu einer Erwärmung des Bandes. Diese Wärme wird an die Arbeitswalzen im Walzspalt übertragen und anschließend an die Umgebung (hstrip) außerhalb des Walzspalts abgegeben. Die Kühlung der Arbeitswalzen erfolgt durch Sprühen von Walzöl oder Emulsion. Daher muss bei der Analyse ein Wärmeübergangskoeffizient (hroll) betrachtet werden.

Das Blech wird in Walzrichtung auf eine definierte Geschwindigkeit (vstrip) beschleunigt, wodurch der Kontakt zwischen Arbeitswalzen und Blech (Walzengriff) ermöglicht wird. Auf die starren Arbeitswalzen wird eine Winkelgeschwindigkeit (Wroll) aufgebracht, die der Walzgeschwindigkeit am Umfang der Arbeitswalzen entspricht. Das Materialverhalten des Aluminiumblechs beim Kaltwalzen wird anhand eines benutzerdefinierten Materialmodells nach einem modifizierten dislokationsdichtebasierten Fließspannungsmodell vom Typ Kocks-Mecking berücksichtigt. Anschließend wurden Zugversuche bei herkömmlichen Kaltwalztemperaturen bis 150 °C und verschiedenen Dehnungsgeschwindigkeiten durchgeführt. Diese Versuche wurden zur Kalibrierung des Materialmodells herangezogen. Gemessene Temperaturabhängigkeiten von Materialeigenschaften wie Elastizitätsmodul, spezifischer Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit werden berücksichtigt, da während des Umformprozesses erhebliche Temperaturanstiege auftreten können. Die Wärmeausdehnung des Blechs wird ebenfalls berücksichtigt.

Figure_2
Abbildung 2: FEM-Netz unter Verwendung dreidimensionaler Volumenelemente mit ebenen Spannungsbedingungen zur Modellierung des Kaltwalzprozesses auf Aluminiumlegierungen.

Um Front- und Tail-End-Effekte des Blechs zu vermeiden und innerhalb einer kurzen Rechenzeit einen stationären Zustand zu erreichen, wurde iterativ eine minimale virtuelle Blechlänge ermittelt. Wie in Abbildung 2 dargestellt, werden in Dickenrichtung nur zwölf Elemente verwendet, um annähernd genaue Simulationsergebnisse zu erhalten. Darüber hinaus muss ein festes Element-Seitenverhältnis von 0,5 in Längsrichtung verwendet werden, um große Elementverzerrungen während des Kaltwalzprozesses zu vermeiden. Die Gesamtzahl der Elemente und die entsprechende Rechenzeit hängen daher von der tatsächlichen Banddicke ab und nehmen mit dünneren Bändern zu. Die Walzenelemente sind breiter als die Bandelemente. Dies hilft, Linienkontakte zu vermeiden, die zu numerischen Problemen führen können.

Validierung des Modells

Figure-3
Abbildung 3: Vergleich der Messungen mit den FEA-Ergebnissen der normalisierten Rollentrennkräfte entlang der gesamten Prozessroute (Warm- und Kaltwalzen) für eine Aluminiumlegierung der Serie 6xxx Abbildung 4: Vergleich der Messungen mit den FEA-Ergebnissen der normalisierten Bandoberflächentemperaturen entlang der gesamten Prozessroute (Warm- und Kaltwalzen) für eine Aluminiumlegierung der Serie 6xxx

Zur Validierung des entwickelten Modells wird ein industrieller Durchlaufplan für eine Aluminiumlegierung der Serie 6xxx verwendet. Es wird ein Prozessablauf mit Warm- und Kaltwalzen betrachtet, bei dem ein Walzbarren mit einer Anfangsdicke von 600 mm auf eine 1 mm dünne Bandbreite reduziert wird. Der Warmwalzprozess besteht aus 21 Stichen und der Kaltwalzprozess aus drei Stichen. Während der letzten beiden Stiche der Warmwalzung, in denen das Material aufgecoilt wird, und während aller Kaltwalzstiche werden Bandspannungen aufgebracht. Bei den Kaltwalzstichen variieren die tatsächlichen Anfangsbandtemperaturen für jeden Stich aufgrund unterschiedlicher Stillstandzeiten zwischen aufeinanderfolgenden Stichen und werden auf der Grundlage von Messungen implementiert. Zwischen dem ersten und zweiten Kaltwalzstich wird das aufgecoilte Band geglüht, um die Kaltverfestigung zu verringern und die Formbarkeit zu erhöhen.Da die Wärmebehandlung nicht modelliert wird, wird die Materialgeschichte zwischen diesen Stichen nicht übertragen. Stattdessen wird zur Vereinfachung ein neues Netz mit anfänglichen Materialmodellvariablen für das Kaltwalzen verwendet.Die berechnete Mikrostruktur- und Umformgeschichte des warmgewalzten Blechs wird als Eingabe für das entwickelte Kaltwalzmodell verwendet, wodurch eine nahtlose Vorhersage der Produkteigenschaften ermöglicht wird.

Abbildung 3 zeigt die Walzentrennkräfte entlang der gesamten Prozessroute, normiert auf den Messwert des ersten Warmwalzdurchgangs. Damit liegen Informationen über die Entwicklung der Walzentrennkraft entlang des Stichschemas vor. Mit einer durchschnittlichen Fehlerquote bei der Vorhersage der Walzentrennkräfte von unter 5 % stimmt das Modell erstaunlich gut mit den Messdaten aus den Walzwerken überein. Die größte Abweichung bei der Vorhersage der Walzentrennkraft tritt beim 20. Stich auf. Beim 20. Stich wird die Walzentrennkraft um etwa 12 % zu niedrig angesetzt. Durch Auswertung der Walzenaustrittstemperatur in Abbildung 4 lässt sich dies mit einer zu hohen Schätzung der Materialtemperatur in Verbindung bringen.

Figure_5
Abbildung 5: Transiente normierte Blech-Temperatur, Dehnung und Versetzungsdichte an der Oberfläche und in der halben Dicke während des Kaltwalzens

Da die Streckgrenze bei höheren Temperaturen sinkt, führt dies zu geringeren Walzentrennkräften. Ungenaue Variablen in den thermischen Kontaktdefinitionen aufgrund einer erhöhten Kühlmittelzufuhr könnten für die erhöhten Temperaturabweichungen während beider Warmwalzstiche verantwortlich sein. Dennoch stimmen die vorhergesagten Austrittstemperaturen des Bandes nach Verlassen des Walzspalts, wie in Abbildung 4 dargestellt, gut mit den Messungen überein. Die Eintrittstemperatur des ersten Stichs wird zur Normierung der Temperaturwerte in Abbildung 4 verwendet. Die Temperaturempfindlichkeit ist mit Vorsicht zu betrachten, da für die Platten- und Coil-Stiche unterschiedliche Messmethoden verwendet werden und erfahrungsgemäß Messfehler auftreten können.Die Ergebnisse bestätigen, dass die entwickelte Modellierungsstrategie für die Vorhersage breitenunabhängiger Variablen wie spezifische Walzentrennkräfte, Temperaturen und das mikrostrukturelle Verhalten des Blechs mit guter Genauigkeit geeignet ist. Die Verwendung des etablierten Modells zur Simulation eines gesamten Prozessablaufs von Warm- und Kaltwalzvorgängen zeigt eine hervorragende Übereinstimmung mit den gemessenen Walzentrennkräften. Abbildung 5 zeigt die transiente Temperatur, Dehnung und Versetzungsdichte an der Oberfläche, an der Viertelstärke und in der Bandmitte in Banddickenrichtung für einen beispielhaften Kaltwalzstich. Die Temperaturkurven wurden auf die Bandeintrittstemperatur in der Bandmitte normiert.Das Ziel dieser virtuellen Methoden ist es, das Verhalten der Aluminiumlegierung unter bestimmten Prozessbedingungen besser abschätzen und die Eigenschaften des Endprodukts vorhersagen zu können.

Kundennutzen:

Der Einsatz virtueller Methoden, insbesondere die Verwendung von Finite-Elemente-Methoden (FEM) in Verbindung mit physikalisch basierten Materialmodellen, bietet den Kunden von AMAG eine Reihe von Vorteilen, die sich direkt auf die Qualität und Zuverlässigkeit der gelieferten Produkte auswirken: Durch die virtuelle Darstellung des Walzprozesses können komplexe physikalische Zusammenhänge wie Spannungs-, Dehnungs- und Temperaturverteilungen realistisch erfasst und analysiert werden, was bereits in der Entwicklungsphase - lange vor der Durchführung physikalischer Tests - eine tiefgreifende Prozessoptimierung ermöglicht.

In Kombination mit physikalisch basierten Materialmodellen können spezifische Verfestigungsmechanismen und Strukturentwicklungen für einzelne Aluminiumlegierungen berücksichtigt werden und helfen, das Produkt an die Kundenbedürfnisse anzupassen.Schließlich ist zu beachten, dass diese virtuellen Methoden auch zu einer effizienteren Nutzung der Ressourcen in der Produktion beitragen, da die Anzahl der Fehlversuche, der Material- und Energieverbrauch sowie die Materialversuche insgesamt reduziert werden. Dies wiederum führt zu einer nachhaltigeren Produktionsstrategie, ein Aspekt, der für eine beträchtliche Anzahl von AMAG-Kunden zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das von AMAG entwickelte Walzmodell ermöglicht es, die gesamte Walzprozesskette deutlich schneller und mit wesentlich geringerem Rechenaufwand abzubilden als herkömmliche Modelle. Dadurch wird eine schnellere virtuelle Prozessentwicklung ermöglicht, was die Simulation zu einem praktikablen Werkzeug für die Produktentwicklung macht.

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 6 plus 2.