Auch bei Aluminium kommt es auf die inneren Werte an

Interview mit Dr. Ramona Tosone, Leiterin AMAG Center for Material Innovation (CMI), über die Bedeutung von Mikrostrukturanalysen bei der Aluminiumherstellung

Ramona_Tosone-tall
Bild: Dr. Ramona Tosone, Leiterin AMAG CMI

AluReport: Welchen Einfluss hat denn die Mikrostruktur auf die Materialperformance von Aluminium?

RT: Die Mikrostruktur von Aluminium hat einen wesentlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Werkstoffs und bestimmt eine Vielzahl seiner Eigenschaften. Zwei konkurrierende Werkstoffeigenschaften bei Metallen sind beispielsweise Festigkeit und Duktilität. Aufgrund seiner geringen Festigkeit ist Aluminium in reiner Form als Konstruktionswerkstoff ungeeignet. Erst durch die Beimischung anderer Metalle, sogenannter Legierungselemente, wird Aluminium technisch interessant. Je nach Art, Menge und Verteilung der Legierungselemente kann die Mikrostruktur bzw. das Gefüge gestaltet werden, um zum Beispiel eine erhöhte Festigkeit zu erreichen. Die Mikrostruktur beeinflusst auch die Fähigkeit von Aluminium, sich unter Belastung zu verformen, ohne zu brechen.Kann das Metall hohen Verformungen standhalten, spricht man von einem duktilen Werkstoff. Um es uns Ingenieuren nicht zu einfach zu machen: Auch das Gießen, Walzen, Wärmebehandeln und die Weiterverarbeitung bei unseren Kunden haben einen großen Einfluss auf die Mikrostruktur. Das Eigenschaftsprofil von Aluminiumprodukten wird zusammenfassend durch die chemische Zusammensetzung und die thermomechanische Herstellungsroute bestimmt. Es kommt also auf das Innere des Aluminiums an.

AluReport: Das klingt sehr komplex. Wie schaffen Sie es, bei 5.000 verschiedenen Produkten hier den Überblick zu behalten, damit Ihre Kunden am Ende die richtige Qualität bekommen?

RT: Da treffen Sie den Nagel auf den Kopf! Das ist in der Tat nicht einfach und erfordert unglaublich viel Wissen. Auf der einen Seite Werkstoff-Know-how, auf der anderen Seite fundierte Kenntnisse rund um die Prozesstechnik bei der Herstellung und Verarbeitung von Aluminium.Die Königsdisziplin ist dann, diese beiden Welten theoretisch und praktisch zu vereinen und schlussendlich für alle Aluminiumlegierungsfamilien (1xxx - 8xxx) anzuwenden. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern ist eine jahrzehntelange Arbeit, die zudem sehr gute Kooperationen mit exzellenten Forschungspartnern erfordert. Gerade bei neuartigen Legierungssystemen muss viel an chemischen und physikalischen Zusammenhängen erforscht werden. Im ersten Beitrag der Serie „Mikrostrukturanalyse“ erfahren Sie, wie wir beispielsweise gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben den nächsten Schritt in der Aluminium-Forschung setzen und uns damit wissenschaftlich für die vielfältigen Anforderungen unserer Kunden vorzubereiten.

Die AMAG arbeitet im Bereich der Grundlagenforschung mit vielen namhaften technischen Universitäten (TU Wien, TU Graz, JKU Linz, ETH Zürich, MPIE Düsseldorf, etc.) zusammen. Wir verfolgen dabei ein gemeinsames Ziel - wir wollen komplexe metallphysikalische Zusammenhänge erforschen, um zu verstehen, wie Aluminiumprodukte entsprechend dem Anforderungsprofil gestaltet werden können.

AluReport: Was ist denn die Herausforderung bei der Mikrostrukturanalyse?

RT: Die Herausforderung beginnt bereits bei der richtigen Versuchsplanung und Probenahme im industriellen Umfeld. Es bedarf eines sehr guten Verständnisses der metallphysikalischen Zusammenhänge, um zu definieren, was man mit der Mikrostrukturanalyse überhaupt sichtbar machen will. Die Zielsetzung bestimmt in weiterer Folge auch die richtige Probenpräparation. Wendet man die falsche Technik an, kann dies zu einer Verfälschung des Gefüges führen. Darunter leidet die Genauigkeit der Analyse und im schlimmsten Fall können die Analyseergebnisse falsch interpretiert werden. Der zweite Beitrag dieser Serie („Si oder nicht Si, das ist hier die Frage") gibt hierzu beispielsweise einen wertvollen Hinweis. Ist die zu analysierende Probe vorbereitet, kommt es darauf an, die richtige Analysetechnik mit der richtigen Auflösung einzusetzen.Hochauflösende Techniken auf dem neuesten Stand der Technik sind notwendig, um Strukturen auf mikroskopischer und atomarer Ebene zu identifizieren (siehe Beitrag „Live und in Farbe“). Die Identifizierung und Charakterisierung spezifischer Gefügeelemente erfordert ein tiefes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Werkstoffzusammensetzung, Verarbeitungsbedingungen und den resultierenden Mikrostrukturen. Insbesondere bei der Legierungsentwicklung von Aluminiumwerkstoffen mit erhöhtem Recyclinganteil spielt die Mikrostrukturanalyse eine immer wichtigere Rolle.Um auch hier in das Spitzenfeld der Forschung aufzusteigen wird die AMAG im kommenden Jahr ihre Analyseinfrastruktur um ein neues High-End-Rasterelektronenmikroskop erweitern. Wir rüsten also weiter auf!

AluReport: Es könnte der Eindruck entstehen, dass dieses Forschungsfeld doch sehr wissenschaftlich für ein Industrieunternehmen ist. Warum überlassen Sie diese Aufgabe nicht den Universitäten?

RT: Als Premiumanbieter von Aluminium-Spezialprodukten stellt sich diese Frage nicht!Diese Produkte sind schwieriger herzustellen als Standardprodukte und erfordern daher, wie bereits erwähnt, ein hohes Werkstoff- und Fertigungs-Know-how vor Ort. Wir haben eine sehr hohe Kompetenzdichte, unsere Teams decken ein breites F&E-Spektrum ab und gemeinsam mit unserem Netzwerk an Forschungspartnern sind wir für die Zukunft bestens aufgestellt. Unsere Erfahrung zeigt auch, dass Forschungskooperationen nur dann erfolgreich sind, wenn die Kommunikation zwischen externen und internen Forschern auf Augenhöhe stattfindet. Auch im Forschungsbereich der Werkstoffmodellierung ist eine hohe interne Kompetenz erfolgsentscheidend.Simulations­­­­modelle müssen laufend validiert und kalibriert werden, um eine optimale Vorhersagegenauigkeit zu erreichen.Nur so können der Nutzen von Simulationen ausgeschöpft und wertvolle Ressourcen für sonst notwendige Experimente eingespart werden.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die AMAG erst kürzlich mit dem „Green Business Data Award“ für das Projekt „AMAG BigData for Predictive Quality“ ausgezeichnet wurde. Sie sehen, wir wissen nicht nur, was wir werkstofftechnisch zu tun haben, sondern wir nutzen auch intelligente Fertigungsansätze, um unsere Produktqualität auf höchstem Niveau zu halten.

AluReport: Abschließend interessiert uns noch, wie Sie auf die steigenden Kundenanforderungen hinsichtlich nachhaltiger Aluminiumprodukte reagieren?

RT: Früher stand bei der Werkstoffentwicklung die maximale Werkstoffperformance im Vordergrund.Heute gehört dies bereits zur „Grundausstattung“. Produkte mit zusätzlich erhöhtem Recyclinganteil und/oder niedrigem CO2-Footprint bieten den neuen Komfort. AMAG reagiert auf diese Anforderungen mit speziellen Forschungsschwerpunkten. Ein Beispiel dafür ist SoRA „Science of Recycling Alloys“. Hier wird auf Basis des umfangreichen Recyclingwissens der AMAG daran gearbeitet, den Rezyklatanteil in bestehenden Produkten zu erhöhen bzw. neue Produkte mit höherem Rezyklatanteil zu entwickeln (siehe Beitrag „Nachhaltige Aluminiumproduktion“). Ein weiteres Beispiel sind die laufenden Entwicklungsarbeiten rund um die neue Gruppe der AMAG CrossAlloys®.Dabei werden verschiedene Legierungsklassen chemisch kombiniert, um ein völlig neues Eigenschaftsprofil in einer Legierung zu erzeugen (siehe Beitrag "Darf's ein bisschen mehr sein"). So können hochfeste Leichtbauwerkstoffe hergestellt werden, die gleichzeitig eine ausreichende Duktilität für die Kaltumformung aufweisen. An dieser Stelle ist es mir noch einmal wichtig zu erwähnen, dass maximale Werkstoffperformance gepaart mit einem möglichst hohen Rezyklatanteil eine sehr große Herausforderung ist. Für eine erfolgreiche, nachhaltige Produktneuentwicklung ist ein intensiver Dialog zwischen dem Kunden und uns als Werkstofflieferant notwendig. Aufgrund unserer umfassenden Recycling- und Werkstoffkompetenz sind wir jedenfalls der ideale Partner für die Zukunft!

Datenschutzinformation
Der datenschutzrechtliche Verantwortliche (AMAG Austria Metall AG , Österreich würde gerne mit folgenden Diensten Ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Zur Personalisierung können Technologien wie Cookies, LocalStorage usw. verwendet werden. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: