Nachhaltige Aluminiumproduktion
Metallurgische Herausforderungen und Lösungsansätze
Aluminium kann durch Recycling, Energieeffizienz, Langlebigkeit und die konsequente Anwendung von Leichtbaukonzepten „grüner“ werden
Wie in Abbildung 1 dargestellt, ergeben sich für die Entwicklungsingenieure Fragen zum „grünen“, nachhaltigen Einsatz von Aluminium vor allem aus den folgenden 4 Themenbereichen:
Energieeffizienz
- Wie können Prozesse energieeffizient gestaltet werden?
- Wie beeinflusst die Umstellung von fossilen Energieträgern auf elektrische Energie die metallphysikalischen Prozesse?
Langlebigkeit
- Wie können Materialien in Bezug auf Korrosionsbeständigkeit und Schadenstoleranz optimiert werden, damit die Produkte langlebiger werden?
Sparsamkeit
- Wie können höherfeste Legierungen zu weniger Materialeinsatz führen?
- Wie kann die Legierungsvielfalt reduziert werden, damit Schrottkreisläufe effizienter werden?
Recycling
- Wie gelingt eine effiziente Schrotttrennung?
- Wie können Legierungen recyclingfreundlich gestaltet werden?
AMAG begegnet diesen Fragestellungen in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf der Entwicklung recyclingfreundlicher Legierungen.Recycling bietet besonders großes Potential, ressourcenschonend zu produzieren, da CO2-neutral produziertes Vormaterial nur begrenzt verfügbar ist und die Verarbeitung von Schrott nur ca. 5-10 % der Energie von Primäraluminium benötigt. Allerdings kommen durch den vermehrten Einsatz von verunreinigten Schrotten auch immer mehr Verunreinigungen in den Kreislauf, welche das Eigenschaftsprofil verschiedener Legierungen schwächen können. Recyclingfreundliche Legierungen können durch unterschiedliche Konzepte realisiert werden. Durch die Öffnung der Legierungsfenster kann ein höherer Schrotteinsatz erzielt werden. Durch notwendige Anpassungen der Prozessparameter können dann Schwankungen abgefangen werden. Das AMAG-Forschungsprogramm „Science of Recycled Alloys“ nimmt gängige Schrottzusammensetzungen als Grundlage für die Entwicklung neuer Legierungen. Im Einheitslegierungskonzept (uni-alloy concept) sollen eine Vielzahl von hochspezialisierten Legierungen ersetzt werden durch wenige, vielseitige Legierungen. Diese werden durch Prozessanpassungen so optimiert, dass sie eine breite Palette an Eigenschaften bedienen können. Ein Beispiel hierfür sind die Legierungen der AMAG CrossAlloy®-Familie. Unabhängig vom angewendeten Konzept ist es unbedingt notwendig zu verstehen, welchen Einfluss Legierungselemente auf die Mikrostrukturentwicklung und -eigenschaften haben. Dadurch können mögliche negative Effekte teilweise prozesstechnisch abgefangen werden. Produkteigenschaften können dann auf die breiten Kundenbedürfnisse zwischen Materialperformance und Nachhaltigkeit zugeschnitten werden. Im Nachfolgenden wird ein Beispiel vorgestellt, das diese Potentiale verdeutlichen soll.
Variationen in der Legierungszusammensetzung können Prozessfenster verschieben - Prozesse müssen je nach Legierungszusammensetzung optimiert werden
Als Beispiel kann der Einfluss der Hauptlegierungsgehalte Magnesium und Silizium auf die Herstellung von 6xxx-Legierungen gezeigt werden. Zum Einstellen eines gut umformbaren Korn- und Phasengefüges rekristallisieren typische Bleche aus Al-Mg -Si-Legierungen mindestens einmal während des Produktionsprozesses. Die Rekristallisation wird unter anderem durch die Anzahl der Keimstellen bestimmt. Als solche können Primär- und Sekundärphasen in einer Größenordnung zwischen 1 - 10 µm dienen. Vergleicht man nun eine niedriglegierte Legierung 6016 mit einer recyclingfreundlichen 6016 (RF), die in diesem Fall vor allem deutlich höhere Gehalte an Magnesium und Silizium aufweist, wird der Einfluss der Zusammensetzung auf zu wählende Prozessparameter deutlich.Abbildung 2 zeigt CALPHAD Simulationen im Gleichgewicht mittels Pandat. Hier zeigt sich, dass höhere Magnesium- und Siliziumgehalte die Auflösung der Si- und Mg-haltigen Phasen zu höheren Temperaturen verschieben. Im für das Warmwalzen relevanten Temperaturbereich zwischen 400 °C und 550 °C bedeutet das, dass je nach Legierungszusammensetzung unterschiedliche intermetallische Phasen mit variierendem Anteil vorliegen. Dies ist deutlich im Gefüge zu erkennen. Nach einer zweistündigen Laborglühung bei einer möglichen Warmwalztemperatur von 480 °C und anschließendem Abschrecken in Wasser zeigt die niedriglegierte 6016 einen deutlich niedrigeren Gehalt an Sekundärphasen. Vor allem in der RF-Variante haben die intermetallischen Phasen eine Größe, die für die partikelstimulierte Rekristallisation interessant ist. Je nach Wahl des Temperaturfensters kann also auf die Mikrostrukturentwicklung und daraus folgend, auf das Eigenschaftsprofil des Produkts Einfluss genommen werden. Wird nur der Schrottanteil erhöht, ohne prozessparameter anzupassen, hat dies in der Regel negative Auswirkungen. Die Legierungszusammensetzung und die Prozessführung müssen daher gezielt aufeinander abgestimmt werden.
Die AMAG ist durch ihre ausgereiften Recycling-Gieß- und Walzprozesse in Kombination mit dem exzellenten Wissen über metallphysikalische Zusammenhänge der perfekte Partner für innovative und nachhaltige Legierungsentwicklungen.
Kundennutzen
Unsere Kunden profitieren einerseits von der herausragenden Recyclingexpertise und dem detaillierten Werkstoff- und Prozessverständnis, das die Einführung recyclingfreundlicher Legierungen ermöglicht. Andererseits können unsere Werkstoffexperten bei der Optimierung der Verarbeitung dieser Legierungen helfen.Wir laden unsere Kunden ein, in Kooperationsprojekten die gemeinsame Wertschöpfungskette vom Materialrecycling bis zur Verarbeitung beim Kunden im Sinne der Nachhaltigkeit bestmöglich zu gestalten.
Quellen:
[1] D. Raabe et al., Nature 2019 575, 64-74 [2] D. Raabe, Chemical Reviews 2023 123 (5), 2436-2608