Schrott - eine unendliche Ressource?

Zwischen Recycling-Mythen und Ressourcenknappheit

Recycling
Abbildung 1: Anlage zur Zerkleinerung von Aluminiumschrott

In der Diskussion um nachhaltige Materialien und Kreislaufwirtschaft wird Aluminiumschrott oft als das Gold des 21. Jahrhunderts gefeiert. Während die globale Nachfrage nach Aluminium rasant steigt und Prognosen vorhersagen, dass sich der Bedarf bis 2050 verdoppeln wird [1], stellen sich drängende Fragen: Können wir uns auf den Recyclingprozess verlassen, um diesen Hunger zu stillen? Oder sind wir auf dem besten Weg, unsere wertvollen Ressourcen an den Höchstbieter im Ausland zu verlieren? Der folgende Artikel beleuchtet die Situation und zeigt auf, warum wir dringend umdenken müssen.

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Abbildung 2: Entwicklung der jährlichen weltweiten Aluminiumproduktion (Primär- und Recyclingmaterial)

Aluminiumbedarf: Eine wachsende Herausforderung

Derzeit wird lediglich etwa ein Drittel des Aluminiumverbrauchs durch rezykliertes Material gedeckt (Abbildung 2). Selbst wenn die Recyclingquote in Zukunft auf 50 % steigt, bleibt die Abhängigkeit von Primäraluminium also bestehen. Und das, obwohl rund 75 % des jemals produzierten Aluminiums noch im Umlauf sind. Es dauert oft Jahrzehnte, bis Aluminiumprodukte - wie etwa Gebäude oder Fahrzeuge - das Ende ihres Lebenszyklus erreichen und dem Recycling zugeführt werden können. Dieser langsame Rücklauf führt aber auch dazu, dass die verfügbare Schrottmenge begrenzt bleibt, während der Bedarf stetig steigt. Der aktuelle Schrottkreislauf ist also nicht in der Lage, die Nachfrage allein durch Recycling zu befriedigen.

Wenn alle Kunden eine garantierte Recyclingquote von 80% fordern, ist das nicht realisierbar. Recyclingquoten können lediglich für definierte Produkte und Mengen sichergestellt werden. Während für Kleinmengen flexible Lösungen existieren, stoßen größere Mengen oft auf erhebliche Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Sekundärmaterial.

 
Schredder
Abbildung 3: Shredder zur Zerkleinerung von Aluminiumschrotten

Es ist also augenscheinlich, dass Aluminiumschrott ein begehrtes Gut ist. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass diese begrenzten Schrottmengen zunehmend auch in Regionen außerhalb Europas exportiert werden. Insbesondere der Export von Aluminiumschrott und gebrauchten Produkten, wie Personenkraftwagen, entzieht dem europäischen Markt wertvolles Material. So wurden 2021 allein 2,5 Millionen Gebrauchtfahrzeuge aus Deutschland exportiert, während nur etwa 400.000 in die heimische Verwertung gingen [2]. Dieser Verlust an Schrott zeigt, dass die europäische Aluminiumindustrie eine effiziente Schließung der Materialkreisläufe anstreben muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn insbesondere in Europa, wo politische Ziele wie der Green Deal und die Circular Economy verstärkte Recyclingmaßnahmen fordern, führt die erhöhte Nachfrage zu einer Verteuerung des Rohstoffs. Es wird immer schwieriger, ausreichende Mengen Schrott zu wettbewerbsfähigen Preisen zu sichern, was die Endprodukte ebenfalls teurer macht.

Schrottaufbereitung und -sortierung: Eine komplexe Aufgabe und ein Missverständnis der Kosten

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass rezykliertes Aluminium zwangsläufig kostengünstiger ist als Primäraluminium. Zwar beträgt der Energieaufwand für das Recycling von Aluminium nur etwa 5 bis 10 % der Energie, die für die Herstellung von Primäraluminium benötigt wird, doch die Gesamtkostenstruktur ist vielschichtiger und wird maßgeblich von der Qualität und Zusammensetzung der verfügbaren Stoffströme beeinflusst. In der Praxis unterscheidet man zwischen sogenannten Mischschrotten, die aus Altmetallsammlungen stammen, und nahezu sortenreinen Schrotten, die direkt aus der Produktherstellung resultieren. Diese beiden Kategorien erfordern grundlegend unterschiedliche Aufbereitungsprozesse. Die Aufbereitung selbst gliedert sich in zwei Hauptverfahren: die mechanische und die thermische Aufbereitung. Bei der mechanischen Aufbereitung (Abbildung 1 und 3) wird das zu rezyklierende Material zunächst zerkleinert und aufgeschlossen, um unterschiedliche Metallfraktionen zu erzeugen, die anschließend für nachfolgende Sortieroperationen geeignet sind. Dieser Zerkleinerungsprozess kann mehrere Stufen unterschiedlichster Zerkleinerungsaggregate erfordern. Bei Mischschrotten, die oft eine Vielzahl von Verunreinigungen enthalten, sind manchmal sogar Vorsortierprozesse notwendig, um nicht verarbeitbare Störteile abzutrennen. Erst wenn ein einheitliches Korngrößenspektrum des aufgeschlossenen Stoffstroms vorliegt, sind die idealen Voraussetzungen für vollautomatische Sortierprozesse geschaffen.

Die Unterscheidung zwischen Pre- und Post-Consumer-Schrotten ist entbehrlich, denn jede Art von Schrott muss rezykliert werden. Zudem käme kien europäischer Hersteller auf die Idee mehr Produktionsabfall zu produzieren, nur um die Rezyklat-Quoten zu erhöhen. Entscheidend ist, dass Aluminiumschrotte so weit wie möglich im europäischen Kreislauf gehalten werden und durch adäquate Trennung und Aufbereitung möglichst für das ursprüngliche Produkt (alloy-to-alloy) wiederverwendbar gemacht werden.

Die anschließende Sortierung ist ein komplexer Schritt, der ein breites Aufgabenspektrum abdeckt. Dieses reicht von der Separation der Leichtmetalle von schweren Metallen wie Eisen und Zink über die Auftrennung von Leichtmetalllegierungen mit signifikanten schweren Metallen bis hin zur Sortierung spezifischer Legierungen einer definierten Legierungsfamilie. Um diese Aufgaben technisch zu lösen, kommen physikalische und chemische Stoffeigenschaften zum Einsatz. So wird beispielsweise die unterschiedliche Dichte der Metalle genutzt, um schwere Metalle von Leichtmetallen zu trennen, während die chemische Zusammensetzung für die Sortierung der Leichtmetalle untereinander entscheidend ist.Die eingesetzten Technologien sind hoch entwickelt und reichen von Röntgensensoren (Abbildung 4) zur Bestimmung der Metalldichte bis hin zu Lasertechnologien für die chemische Analyse. In den letzten Jahren hat sich in der Trenn- und Sortiertechnik eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. So ist die sensorbasierte Röntgentransmissions-Sortiertechnologie mittlerweile fast zum Standard in Recyclingunternehmen geworden, die selbst aufbereiten. Diese Technik ermöglicht eine gute Sortierqualität, wodurch das sortierte Material gut für die Verarbeitung zu Guss- und Knetlegierungen geeignet ist. Eine der fortschrittlichsten Sortiermethoden ist die laserinduzierte Plasma-Spektroskopie (LIBS), die eine wirtschaftliche Trennung von Schrotten nach Legierungen ermöglicht. Trotz dieser Fortschritte gibt es jedoch weiterhin Verbesserungspotenzial in Bezug auf Durchsatz und Ablation - der Entfernung von Verunreinigungen wie Lacken und Beschichtungen von der Metalloberfläche. Dies ist entscheidend, um optimale Analysebedingungen für die chemische Zusammensetzung zu schaffen und gleichzeitig eine hohe Sortierqualität aufrechtzuerhalten.

Ein weiterer Aspekt, der zur Komplexität der Schrottaufbereitung beiträgt, ist das Zusammenspiel von Recyclingtechnologien und den verschiedenen Schrottqualitäten. Qualität und Zusammensetzung des gesammelten Schrotts können stark variieren, was aufwendige Sortier- und Reinigungsprozesse zur Folge hat. Diese Maßnahmen sind erforderlich, um die von den Kunden geforderten Reinheitsstandards und die spezifischen Legierungseigenschaften zu gewährleisten. Je aufwendiger die Reinigung, Trennung und Sortierung durchgeführt werden muss, desto höher sind die finanziellen Aufschläge für die daraus entstehenden Fraktionen höherer Qualität.

In einigen Fällen kann dies so weit führen, dass die Schrottaufbereitung, selbst wenn sie technisch machbar ist, finanziell nicht tragbar wird. Die erhöhte Qualität des eingesetzten Materials steht dann in keiner Relation zu den aufgebrachten finanziellen und materiellen Ressourcen. Bestimmte Fraktionen, wie plattiertes Material - etwa für Autokühler, Wärmetauscher oder Verbindungsstellen bei Materialmischbauweisen - lassen sich in der Realität oft gar nicht sauber trennen. Dadurch gelangen unerwünschte Begleitelemente in die Schrottfraktionen, welche die Qualität des Endprodukts beeinträchtigen können.

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Abbildung 4: XRT-Röntgenanlage zur Aluminiumschrottaufbereitung

Recyclinggerechtes Legierungsdesign: Eine Notwendigkeit

Ein weiteres weitverbreitetes Missverständnis ist, dass jede Art von Aluminiumschrott für jede Legierung verwendet werden kann. In Wirklichkeit sind die Anforderungen an verschiedene Aluminiumlegierungen aber äußerst spezifisch. Legierungen unterscheiden sich in ihren mechanischen Eigenschaften, in ihren Korrosionsbeständigkeiten und in anderen Merkmalen, welche durch präzise Zusammensetzungen erreicht werden.Nicht jeder Schrotttyp kann für jede Legierung genutzt werden, da Verunreinigungen und nicht kompatible Elemente die Qualität und Leistung der neuen Legierung beeinträchtigen können. Dies erfordert einen gezielten Ansatz bei der Auswahl und Verarbeitung von Schrott, um sicherzustellen, dass die endgültige Legierung die gewünschten Eigenschaften aufweist.Ein Beispiel für die Herausforderungen des recyclinggerechten Designs ist die Automobilindustrie, die 2020 weltweit etwa 18 Millionen Tonnen Aluminium verbrauchte [3].Fahrzeugteile bestehen aus komplexen Legierungen, die hohe Anforderungen an Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit erfüllen müssen. Das Recycling dieser Legierungen erfordert präzise Sortiertechniken und spezielle Prozesse, um die gewünschten Materialeigenschaften zu erhalten. Deshalb gewinnt das Konzept des recyclinggerechten Legierungsdesigns an Bedeutung. Dabei handelt es sich um die Entwicklung neuer Legierungen und Produkte mit dem Ziel, das Recycling zu optimieren. Dies bedeutet, dass bereits bei der Herstellung und Gestaltung neuer Aluminiumprodukte berücksichtigt wird, wie diese am Ende ihres Lebenszyklus effizient rezykliert werden können. Solche Designs minimieren das Risiko von Verunreinigungen und erleichtern das Sortieren und Wiederverwenden von Schrott, was letztlich zu einer nachhaltigeren und kosteneffizienteren Produktion führt. Zudem ist es wichtig, dass definierte Spezifikationen hinterfragt werden. Denn diese resultieren fast immer aus einer Zeit, in der die Eigenschaften aus primär hergestellten Legierungen ermittelt wurden, also dem höchstmöglichen Wert einer Eigenschaft. Dieser Wert wurde häufig übernommen, ohne zu prüfen, ob er für die spezifische Anwendung wirklich notwendig ist. Eine differenzierte Herangehensweise an bestehende Spezifikationen und die behutsame Anpassung an real erforderliche Werte kann helfen, Recyclinglegierungen mit höherem Schrotteinsatz und damit Begleitelementen zu nutzen.

Fazit

Der steigende Aluminiumbedarf, die limitierte Verfügbarkeit von Schrott und die komplexen Aufbereitungsprozesse erfordern ein Umdenken in der Branche. Der Mythos, dass Recycling immer kostengünstiger ist als Primärproduktion, ist irreführend. Um die potenziellen Vorteile des Recyclings wirklich zu nutzen, muss versucht werden, Schrotte im europäischen Kreislauf zu halten (circular economy) und innovative Ansätze wie das recyclinggerechte Legierungsdesign müssen forciert werden. Nur durch gezielte Maßnahmen zur Optimierung der Materialnutzung können wir die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft meistern und eine nachhaltige Aluminiumversorgung für die Zukunft sicherstellen.

Literatur:

[1]    European Aluminium (01.03.2019) „Vision 2050. Der Beitrag von European Aluminium zum EU-Fahrplan für eine kohlenstoffarme Wirtschaft bis 2050“, S. 3[2]    Umweltbundesamt (11.03.2024) Altfahrzeugverwertung und Fahrzeugverbleib, in Umweltbundesamt. Zugriff am 3. Oktober 2024 von Altfahrzeugverwertung und Fahrzeugverbleib | Umweltbundesamt [3]    WVM. (8. Oktober, 2019). Verwendete Menge an Aluminium in Deutschland nach Hauptverwendungsgebieten im Jahr 2018* (in 1.000 Tonnen) [Graph]. In Statista. Zugriff am 03. Oktober 2024, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28203/umfrage/verwendung-von-aluminium-nach-industriezweigen-in-2007/

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