Umweltschonender Lötprozess

Flussmittelfreies Löten dank AMAG TopClad® PURE FF

Die Welt der Wärmetauscher entwickelt sich rasant weiter, wobei ständig neue und komplexere Geometrien entstehen. Gleichzeitig wird immer mehr Wert auf kostengünstige und umweltfreundliche Lösungen gelegt. Das macht die Entwicklung eines Hartlots für das flussmittelfreie Schutzgaslöten zu einer unglaublich spannenden und wichtigen Herausforderung.

Oxidschicht_DE
Abbildung 1: Aluminiumoberfläche [5]

Es besteht kein Zweifel: Aluminium ist der Werkstoff der Wahl für Wärmetauscher in der Automobilindustrie! Und warum? Weil es so viele Vorteile in Bezug auf Festigkeit, Gewicht, Wärmeleitfähigkeit, Formbarkeit und Korrosionsbeständigkeit bietet. Wenn es um die Herstellung von Wärmetauschern für Kraftfahrzeuge wie Ölkühler, Kondensatoren und Batteriekühlplatten geht, ist das Löten von Aluminium die bevorzugte Methode. Damit lassen sich Materialverbindungen in geometrisch komplexen Bauteilen mit mehreren Anschlüssen in einem Arbeitsgang herstellen [1].

Für ein erfolgreiches Löten ist es unerlässlich, die natürliche Oxidschicht, die sich auf jeder Aluminiumoberfläche bildet, zu entfernen oder aufzubrechen. Industriell etablierte Verfahren verwenden unterschiedliche Ansätze, um dies zu erreichen, darunter das Löten in Schutzgasatmosphären (Controlled Atmosphere Brazing, CAB) und das Vakuumlöten (Vacuum Brazing, VB) [1], [2].

CAB-Löten wird in einer Inertgasatmosphäre durchgeführt und verwendet ein nicht korrosives, nicht hygroskopisches Flussmittel, das Kaliumfluorid und Natriumfluorid enthält und die Oxidschicht im geschmolzenen Zustand anlöst, um den Materialfluss zu ermöglichen. Beim CAB-Löten ist es wichtig, die Menge des verwendeten Flussmittels genau zu kontrollieren. Das Vorhandensein von übermäßigen Flussmittelrückständen nach dem Löten kann sich negativ auf das optische Erscheinungsbild auswirken, die Funktionalität von Lamellenpaketen beeinträchtigen, indem es bestimmte Kühlmittellösungen negativ beeinträchtigt und so die Wärmeaustauschleistung verringern [2].Beim Vakuumlöten ist kein Flussmittel erforderlich. Allerdings muss die Plattierschicht ausreichend Magnesium enthalten (1,0-2,0 %) und in der Lötkammer muss ein Hochvakuum herrschen (ca. 10-5 mbar). Mit steigender Temperatur verdampft das Magnesium und bricht die Oxidschicht während des Lötvorgangs auf, wodurch das flüssige Lot fließen kann [2].

Die Aluminiumlötindustrie sucht seit Längerem nach einer geeigneten Methode, mit der Produkte einfach unter Schutzgas ohne Flussmittel gelötet werden können, was eine Kombination der Vorteile von CAB und VB bedeutet. Die Entwicklung eines flussmittelfreien Lötverfahrens, welches einerseits das Material, andererseits jedoch auch die Art des Wärmetauschers und des Lötofens betrifft, wurde auch durch die Notwendigkeit einer höheren Reinheit im Inneren eines gelöteten Wärmetauschers, durch die Verwendung hochfester lotplattierter Bleche und durch Bedenken hinsichtlich der Handhabung von feinen Fluoridsalzen aus Gesundheits- und Umweltgründen vorangetrieben [2].AMAG freut sich die Entwicklung einer revolutionären Kombination aus einer neuen Produktionsroute, AMAG TopClad® PURE, und einer innovativen Hartlötlegierung (FluxFree kurz FF) für das flussmittelfreie Schutzgaslöten präsentieren zu dürfen: AMAG TopClad® Pure FF.

Oberflächen_DE
Abbildung 2: Schematische Darstellung der zusätzlichen Prozessschritte von AMAG TopClad® PURE

Verarbeitungsweg von AMAG TopClad® PURE FF

Die Dicke der Oxidschicht hat einen erheblichen Einfluss auf die Lötergebnisse. Je dicker die Schicht ist, desto schwieriger ist es, sie aufzubrechen. Um eine zufriedenstellende Lötverbindung zu erzielen, muss die Oxidschicht so dünn wie möglich gehalten werden. [2]Zusätzlich zur natürlichen Oxidhaut sind warmgewalzte Bänder auch mit einer ultradünnen Lage aus Verunreinigungen überzogen (Abbildung 1). Diese Schicht besteht hauptsächlich aus metallischem Aluminium, oxidischen Verunreinigungen und geringen Mengen kohlenstoffhaltiger Rückstände. Die Dicke des sogenannten Walzbelages ergibt sich aus der ständigen Ablösung und Wiederanlagerung von Partikeln der Walze auf der Oberfläche des Walzbandes.Die Morphologie des Walzbelages hängt unter anderem von der Chemie des gewalzten Bandes und der Warmwalzemulsion ab [3], [4].

Die endgültige Lötqualität wird durch die Sauberkeit der Oberfläche beeinflusst. Wenn sich auf der Oberfläche viele Verunreinigungen befinden, werden die Fließfähigkeit und die Benetzbarkeit des flüssigen Lotes verringert, wodurch die Qualität der Lötverbindung leidet. Dies führt unweigerlich zu einer höheren Ausschussquote fertiger Wärmetauscher aufgrund von Undichtigkeiten oder aber auch unzureichenden Ergebnissen in Berstdruck- und Temperaturschocktests. Darüber hinaus führt die Ansammlung von Oxidverunreinigungen auf der Oberfläche zu verfrühten Ausfällen im Einsatz aufgrund selektiver Korrosion.AMAG TopClad® PURE unterliegt einer zusätzlichen Oberflächenbehandlung (Beizen), bei der der Walzbelag aus dem Warmwalzprozess so weit wie möglich entfernt wird. Das Beizen wird auf der brandneuen kontinuierlichen Bandveredelungsanlage der AMAG (siehe auch AluReport 1/2024) auf zuvor warm- und/oder kaltgewalztem Material durchgeführt. Beim Beizen werden die natürliche Aluminiumschicht und der Walzbelag aus dem Warmwalzschritt entfernt. Mit zunehmender Einwirkdauer des Beizmediums wird auch das Al-Grundmaterial geätzt. Entscheidend dabei ist, dass nur die Aluminiummatrix herausgelöst wird und die Siliziumpartikel des Lotes nicht angegriffen werden. Dieser Prozessschritt reduziert die Menge an unerwünschten Oberflächenverunreinigungen und die Dicke der Oxidschicht erheblich und reichert die Oberfläche mit Si-Partikeln an.Nach der Beizbehandlung wird mindestens ein weiterer Kaltwalzschritt bis zur Enddicke durchgeführt, um die freigelegten Si-Partikel wieder in die Al-Matrix zu walzen. Um Kohlenstoffrückstände auf dem fertigen lotplattierten Blech zu minimieren und somit eine maximale Oberflächenreinheit zu erreichen, ist ein chemischer Entfettungsschritt vor dem finalen Glühen vorteilhaft. Durch diese Entfettung wird eine effektive Benetzung und ein verbesserter Lotfluss während des Lötens gewährleistet. Die Oberflächenbehandlung hat keine negativen Auswirkungen auf die Korrosionseigenschaften oder die Lagerfähigkeit des Materials.

Legierungskonzept von AMAG TopClad® PURE FF

Der Lötprozess beginnt mit dem Schmelzen des  Lotes unterhalb der Oberfläche und dem natürlichen Aufbrechen der Oxidschicht.Das Schmelzen des Lotes erfolgt bei einer Temperatur höher als 577 °C. Durch chemische Umwandlungen innerhalb des flüssigen Lotes und Unterschiede im Wärmeausdehnungskoeffizienten der Schmelze und der Oxidschicht wird ein Aufbrechen der Oxidschicht ermöglicht. Als Basis für die neue Hartlotlegierung dient die Aluminium-Silizium-Lotlegierung AlSi10, welche mit 0,10-0,4 % Magnesium und 0,10-0,4 % Bismut modifiziert ist. Durch die Zugabe von Magnesium wird die Oxidschicht während des Lötprozesses aufgebrochen und, der bereits niedrige Sauerstoffgehalt im Lötofen weiter reduziert. In einer sauerstoffarmen Umgebung wandelt Magnesium das Al₂O₃ in der Oxidschicht in Al und MgAl₂O₄ um.

TopClad® PURE FF Si Fe Cu Mn Mg Zn Ti Bi je total
                     
Min. 9,0 - - - 0,10 - - 0,1 - -
Max. 11,0 0,6 0,2 0,2 0,4 0,2 0,2 0,4 0,05 0,15
Rest ≤ 0,03 pro, gesamt ≤ 0,10 Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung der Lotlegierung von AMAG TopClad® Pure FF

Diese neuen Komplexe nehmen unterschiedliche Volumina innerhalb der Oxidschicht ein, wodurch die Oxidhaut aufbricht und das Fließen und Benetzen von geschmolzenem Lot ermöglicht wird. Die Bildung von niedrigschmelzendem Mg₂Si in der Aluminium-Silizium-Lotlegierung erhöht auch die Aktivität des  Lotes und fördert die Bildung ausgeprägter Lotnähte erheblich. Bei einem Magnesiumgehalt von unter 0,10 % ist es, aufgrund des unzureichenden Aufbrechens der Al2O3-Oxidschicht, fast unmöglich eine Hartlötverbindung zu erhalten. Übersteigt der Gehalt hingegen 0,4 %, nimmt die Dicke der Mg-Oxidschicht bei höheren Temperaturen deutlich zu und behindert die Lötbarkeit. Die Zugabe von Bismut im Bereich von 0,10-0,4 % verringert die Oberflächenspannung des geschmolzenen Lotes und verbessert dadurch dessen Fließfähigkeit und Benetzbarkeit.

AMAG TopClad® Pure FF ist als einseitig bzw. beidseitig plattierter oder auch als mehrschichtiger Verbund, unabhängig von der Kernlegierung, erhältlich. Das bedeutet, dass jede 3xxx- oder 6xxx-Legierung aus dem AMAG-Produktportfolio (siehe AluReport 2/2024) mit der neuen, patentierten Hartlotlegierung (siehe Tabelle 1) zu einem Band oder Blech im Dickenbereich von 0,4 mm bis 3,5 mm gewalzen werden kann. Aufgrund der neuen Einsatzmöglichkeit von aushärtbarem 6xxx  Aluminium als Kernlegierung für flussmittelfreies Schutzgaslöten, lässt sich nach dem Löten mittels einer zusätzlichen Wärmebehandlung eine höhere Festigkeit erreichen. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit dem Material auf Kundenwunsch eine AL4® ever-Qualität gemäß ISO 14066/14067 erreicht werden kann. Die neue Plattierlegierung in Kombination mit der speziellen Produktionsvariante ist bereits patentiert und in Serie produzierbar. Die chemische Zusammensetzung von AMAG TopClad® Pure FF ist in Tabelle 1 dargestellt.

umweltschonender-loetprozess-abb-3
Abbildung 3: Gelöteter Stab-Plattenwärmetauscher nach Berstfrucktest
umweltschonender-loetprozess-abb-4
Abbildung 4: Verlötung Turbulenzen - Trennblech im Inneren des Wärmetauschers (Ölseite)

Lötversuche von AMAG TopClad® PURE FF in Industrieöfen

Lötversuche mit AMAG TopClad® PURE FF Material wurden bereits in einem industriellen CAB-Tunnelofen mit Stab-Plattenwärmetauschern durchgeführt. Nach dem Löten wurde ein Berstdrucktest durchgeführt, bei welchem der Druck bestimmt wurde, bei dem das Bauteil aufreißt und versagt. Die tatsächlichen Betriebsdrucke liegen weit unter den erreichten Berstdrucken. Das Ergebnis des Tests war positiv: Die Lötverbindungen hielten dem geforderten Berstdruck stand. Der Kühler wurde, wie in Abbildung 3 zu sehen ist, durch Materialversagen in den Turbulenzen und nicht in den Lötverbindungen zum Bersten gebracht. Nach dem Schneiden eines gelöteten Wärmetauschers ist das zufriedenstellende Lötergebnis zwischen dem Trennblech (AMAG TopClad® PURE FF) und den Turbulenzen (Ölseite des Wärmetauschers) deutlich sichtbar (Abbildung 4).Die Lötnähte sind gut ausgeprägt, ohne dass sich die Turbulenzen vom Trennblech lösen. Die Bildung der Lötnaht ist direkt auf der Außenseite der Luftlamellen erkennbar; es sind jedoch weitere Versuche geplant, um an der Außenseite eine breitere Lötnaht zu erzielen. Bei näherer Betrachtung der Lötnähte im Inneren des Wärmetauschers sind diese bereits schön ausgeprägt (Abbildung 5) und vergleichbar mit Lötstellen, welche mit Flussmittel gelötet wurden.Um beim Löten mit dem neuen AMAG TopClad® PURE FF optimale Ergebnisse zu erzielen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen AMAG und dem Kunden unerlässlich. Das Material, die Geometrie des Wärmetauschers und der Lötprozess selbst müssen sorgfältig aufeinander abgestimmt werden.

umweltschonender-loetprozess-Abb-5
Abbildung 5: Lötverbindung Luftkühlrippe - Trennplatte. A) Lötnaht direkt an der Außenseite - der Ofenatmosphäre ausgesetzt. B) Lötnaht 1,5 mm vom äußeren Rand entfernt.

Kundennutzen

Mit diesem Material ist es möglich, unter CAB-Bedingungen ohne Flussmittel zu löten, um

  • Kosten zu sparen (keine Anschaffung von Flussmittel, kein Flussmittelauftrag und keine Reinigung nach dem Löten geringere Produktionskosten im Vergleich zu VB)
  • die Leistung des Wärmetauschers zu erhöhen (kein Kühlmittel-Clogging)
  • die Umwelt von schädlichem Flussmittel zu entlasten (keine Flussmittelstäube in den Produktionslinien, kein Flussmittel im Abwasser nach der Reinigung, längere Lebensdauer des Wärmetauschers, da keine Verstopfung).

AMAG TopClad® Pure FF erweitert die Vielfalt der verwendbaren Legierungen für Wärmetauscher-Anwendungen.

Literatur:

[1]    Altenpohl, Dietrich. Aluminium von innen: das Profil eines modernen Metalles. Aluminium-Verlag, 1994.[2]    Hawksworth; D. K.; Fluxless brazing of aluminium; Advances in brazing; pp. 566 - 584 Woodhead Publishing Limited, 2013.[3]    V. R. Howes, M. P. Amor: Roll coatings formed during the hot rolling of aluminium with rolls of different material“, Wear 79 (1982) 375 - 384[4]    J. A. Schey: „Lubrication in the rolling of light metals“, Light Metal Age, April 1984[5]    A. Gray, Butler C., Nadin A. C. (2014): The Influence of Thermomechanical Processing (TMP) on the Brazeability of Clad Heat Exchanger Materials. In: DVS Berichte Aluminium Brazing 8th international Congress.

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 4 und 7?
Datenschutzinformation
Der datenschutzrechtliche Verantwortliche (AMAG Austria Metall AG , Österreich würde gerne mit folgenden Diensten Ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Zur Personalisierung können Technologien wie Cookies, LocalStorage usw. verwendet werden. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: