Fügen im Automobilbau 2
Oberflächenbehandlung für erstklassige Punktschweißergebnisse in der Automobilproduktion
In der Automobilindustrie spielen Schweißverbindungen eine immer wichtigere Rolle und sind eng mit den Themen Leichtbau und Recyclingfähigkeit verbunden. Das Schweißen ermöglicht dabei unterschiedliche Stoßgeometrien, um die mechanisch-technologischen, wie auch optischen und dekorativen Anforderungen zu erfüllen. Das Widerstandspunktschweißen (WPS) ist dabei der am häufigsten verwendete Schweißprozess und überzeugt durch die sehr schnellen Prozesszeiten, den hohen Automatisierungsgrad, die Möglichkeit der Hybridverbindung mit Klebstoff und nicht zuletzt die Gewichtsersparnis im Vergleich mit Niet- und Schraubverbindungen. Die Ersparnis von Nieten und Schrauben ermöglicht zusätzlich ein deutlich einfacheres sowie sortenreines Materialrecycling. Der Fokus in der Verarbeitung von Aluminiumlegierungen der Automobilhersteller liegt auf den 5xxx und 6xxx Legierungsklassen mit unterschiedlichen Oberflächenzuständen für den Innenstruktur- und Außenhaut-Bereich.
Die Automobilhersteller verwenden unterschiedlichste Parameter, um die Hauptanforderungen an die Schweißpunkte und an den Prozess zu erfüllen. Dabei handelt es sich um den Mindest-Linsendurchmesser, die Scher- bzw. Zugfestigkeit, die Spritzerwahrscheinlichkeit und den Elektrodenverschleiß. Da in den meisten Anwendungsbereichen eine Hybridverbindung gewünscht ist, müssen die Anforderungen mit Klebstoffen zwischen den zu fügenden Blechen erfüllt werden. Im Vergleich zu Stahl erweist sich die sehr hohe Leitfähigkeit, der große Schmelzbereich und die starke Oxidschicht von Aluminiumlegierungen beim WPS als problematisch, besonders für die Lebensdauer der verwendeten Elektroden. Der prinzipielle Ablauf des Widerstandspunktschweißens ist in Abbildung 1 dargestellt und beginnt mit der Aufbringung der Schweißkraft F mittels der Schweißelektroden, an die im Anschluss der Schweißstrom angelegt wird. Nachdem das Material zwischen den zu verschweißenden Blechen aufgeschmolzen ist, wird der Schweißstrom von den Elektroden genommen und die Schweißlinse bildet sich unter konstanter Krafteinwirkung aus.
Ein bisher nur geringfügig untersuchter Einflussfaktor ist die Oberflächenbeschaffenheit der Aluminiumbleche. Es wird zwischen unbehandelt, gebeizt oder gebeizt + passiviert unterschieden. Zudem können diese Oberflächenzustände je nach Kundenanforderung auch noch mit einem Umformöl oder Trockenschmierstoff versehen sein. Die große Anzahl an Einflüssen und die begrenzte Literatur bezüglich der Wechselwirkungen konfrontiert nicht zuletzt den Aluminiumproduzenten mit großen Herausforderungen, um Bleche für ein optimales Endprodukt zur Verfügung zu stellen.
Diese Arbeit befasst sich daher mit dem Einfluss der Oberflächenbehandlung von 5xxx und 6xxx Aluminiumlegierungen auf die Schweißbarkeit von Widerstandspunkten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Wechselwirkung mit Klebstoff während des Schweißprozesses und die Auswirkungen auf die Schweißqualität bzw. auf die Prozessstabilität. Um eine möglichst allumfassende Untersuchung der Materialeinflüsse zu gewährleisten, lag der Fokus der ersten Versuchsreihe auf der Oberflächenrauigkeit. Hierfür wurden Bleche der Legierung 5182 im Zustand O und 6016 im Zustand T4-FH mit unterschiedlichen Rauigkeiten verwendet und sowohl mit als auch ohne Klebstoff geschweißt. Die Schweißungen ohne Klebstoff dienen dabei als Referenz und zur Darstellung des Rauigkeitseinflusses auf den WPS-Prozess. Die zweite Versuchsreihe beschäftigte sich mit der Auswirkung des Beizens, der Oberflächenpassivierung und der Trockenschmierung auf die Schweißbarkeit mit Klebstoff. Für beide Versuchsreihen wurden zwei sehr unterschiedliche Prozessparameter verwendet, die die große Varianz der Endkunden abdecken und Extrema darstellen sollen.
Versuchsmatrix und Probenvorbereitung
Die Grenzen der chemischen Zusammensetzungen der verwendeten Legierungen können der EN 573-3 entnommen werden und sind in Tabelle 1 für die wichtigsten Legierungselemente zusammengefasst.Im Zuge des Herstellungsprozesses wurden für die beiden Versuchsreihen Blechabschnitte in verschiedenen Zuständen aus der Bandmitte entnommen, wie die Versuchsmatrix (Tabelle 3) verdeutlicht. Die Materialdicke der 5182 Bleche betrug 1,5 mm und für die 6016 Bleche 1,0 mm. Als Beize und Passivierung wurde die Standard-Beizvorbehandlung für den Ti/Zr-Passivierungsprozess für Automobilbleche verwendet.
Für die Schweißungen wurden die Probenbleche in Abschnitte 500 x 60 mm zur statistischen Bestimmung der Linsendurchmesser, Spritzerwahrscheinlichkeit und der Elektrodenlebensdauer geteilt. Des Weiteren wurden für die quasistatischen Scherzugversuche zusätzlich noch Abschnitte mit den Maßen 105 x 45 mm angefertigt. Der Klebstoff für die Hybridverbindungen wurde als Raupe auf die Unterbleche aufgetragen und mit dem Oberblech auf eine Dicke von 0,3 mm definiert zusammengedrückt. Damit entspricht die Klebstoffmenge im Bereich der Schweißpunkte der durchschnittlichen Menge, so wie sie in der Automobilindustrie zur Anwendung kommt. Auf eine Reinigung der Bleche vor dem Schweißen bzw. Verkleben wurde verzichtet, um die schwierigsten Produktionsbedingungen zu simulieren. Alle Schweißungen wurden sortenrein mit Blechen gleicher Dicke durchgeführt.
Legierung | Si | Fe | Cu | Mn | Mg |
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EN AW - Al Mg4,5 Mn0,4 (5182) | max. 0,20 | max. 0,35 | max. 0,15 | 0,20 - 0,50 | 4,0 - 5,0 |
EN AW - Al Si1,2 Mg0,4 (6016) | 1,0 - 1,5 | max. 0,50 | max. 0,20 | max. 0,20 | 0,25 - 0,60 |
Oberfläche | 5182 O | 6016 T4-FH |
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Versuchsreihe 1 | ||
Mill Finish: unbehandelt unbehandelt + Klebstoff (KST) |   | |
EDT: unbehandelt unbehandelt + KST |   |   |
EDT: unbehandelt + Trockenschmierung (TS) unbehandelt + TS + KST |   |   |
Oberfläche | 5182 O | 6016 T4-FH |
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Versuchsreihe 2 | ||
EDT: gebeizt gebeizt + KST |   | |
EDT: Gebeizt + passiviert gebeizt + passiviert + KST |   | |
EDT: gebeizt + passiviert + TS gebeizt + passiviert + TS + KST |   |   |
EDT: gebeizt + reduziert passiviert + TS + KST |   |   |
Schweißparameter
Die Varianten an Schweißparametern in der Automobilfertigung sind zahlreich und enorm unterschiedlich. Aus diesem Grund wurden alle Versuche mit zwei Parametersätzen geschweißt, die das gesamte Spektrum an unterschiedlichen Fertigungsparametern abdecken sollen. Die Variante V1 für die 5182 Legierung ist in Abbildung 2a dargestellt und weist einen kurzen Vorwärmimpuls von 50 ms bei einer Stromstärke von 8 kA auf, gefolgt von einem 50 ms Schweißimpuls im Bereich zwischen 28 - 35 kA. Die Stromstärke wurde danach mit einer steilen Rampe auf 0 A reduziert, die konstante Schweißkraft von 7 kN bis zu einer Gesamtschweißzeit von 800 ms noch aufrechterhalten.Die Variante V2 (siehe Abbildung 2b) weist im Vergleich mit V1 einen deutlich längeren Vorwärmimplus bei 12 kA von insgesamt 450 ms auf. Die Zeit des Schweißimpulses wurde mit 50 ms konstant gehalten und variierte ebenso zwischen 28 und 35 kA. Die Schweißstromstärke für die 6016 Legierung musste stark angehoben werden, um den erforderlichen Punktdurchmesser zu generieren, da die geringe Menge an Legierungselementen die Leitfähigkeit deutlich anhebt. Deshalb wurden Stromstärken von 40 - 45 kA zur Schweißung verwendet. Um ein positives Ergebnis der Schweißung zu erreichen, muss der Schweißdurchmesser d > 5√t entsprechen, wobei t der einzelnen Blechdicke entspricht. Bei Schweißungen von 60 Punkten in Folge, ohne der Überarbeitung bzw. dem Austausch der Elektrode, dürfen laut Kundenanforderungen max. 10 % Spritzer auftreten und an der Elektrode darf kein Verschleiß in Form von Auflegierungen sichtbar sein. Der Elektrodenverschleiß wird mit Fotos der Elektrode bei jedem zehnten Schweißpunkt dokumentiert und zur Belegung der Schweißlinsenqualität wird von jeder zehnten Linse ein metallographischer Schliff angefertigt.
Prüfungen
Die Auswertung der Linsendurchmesser wurde, wie in der DIN EN 10447 beschrieben, durchgeführt, wobei als manuelles Aufbrechwerkzeug ein Abrolldorn Verwendung findet. Die quasistatische Scherzugprüfung wurde nach der DIN EN 14273 abgewickelt und das Auftreten und die Zahl von Spritzern sowie der Elektrodenverschleiß, bzw. die Prozessstabilität mittels visueller Prüfung beurteilt.
Ergebnisse
Die Versuchsreihe 1 zeigt sowohl für die Legierung 5182, als auch für die 6016 mit unbehandelter Oberfläche positive Ergebnisse (Übersicht in Tabelle 3). So konnten unabhängig von der Rauheit, dem Klebstoff und der Trockenschmierung 60 Punkte geschweißt werden, deren Linsendurchmesser mindestens d > 5√t entsprach. Dabei kam es zu keinem Spritzer und auch zu keinem Elektrodenverschleiß.Die Versuchsreihe 2 zeigt ein divergentes Ergebnis. Hier haben gebeizte, passivierte und geklebte Proben der Legierung 5182 hohe Spritzerwahrscheinlichkeiten und starken Elektrodenverschleiß aufgewiesen, wie in Abbildung 3b gut zu erkennen ist. Schweißungen ohne Klebstoff oder von ausschließlich gebeiztem und geklebtem Material entsprechen hingegen den Anforderungen und zeigen keinerlei Auffälligkeiten (siehe Abbildung 3a). Eine weitere Auffälligkeit der 5182 Legierung mit passivierter und geklebter Oberfläche sind Heißrisse in den Schweißlinsen und ein vermehrtes Auftreten von Ringlinsen (siehe Abbildung 4).Die Scherzugprüfung zeigt für beide Legierungen sowie für alle geschweißten Varianten konstante Werte und spiegelt das Auftreten von Spritzern bei der 5182 Legierung mit passivierter Oberfläche nicht wider.Nachdem passiviertes Material der Legierung 5182 negative Ergebnisse gezeigt hat, wurde ein weiterer Versuch in die Versuchsreihe 2 integriert. Dabei wurde die verwendete Ti/Zr-Passivierungsmenge um die Hälfte reduziert, um eine mögliche Korrelation beurteilen zu können. Dabei haben alle Schweißversuche mit reduzierter Passivierungsmenge den Anforderungen entsprochen. Die Ergebnisse der Versuchsreihe 2 sind in Tabelle 4 zusammengefasst.
Oberfläche | 5182 O V1,V2 | 6016 T4-FH V1,V2 |
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(✓ Anforderung erfüllt) | ||
Mill Finish: unbehandelt unbehandelt + Klebstoff (KST) |   | |
EDT: unbehandelt unbehandelt + KST |   |   |
EDT: unbehandelt + Trockenschmierung (TS) unbehandelt + TS + KST |   |   |
Oberfläche | 5182 O V1 | 5182 O V2 | 6016 T4-FH V1 | 6016 T4-FH V2 |
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(✓ Anforderung erfüllt X Anforderungen nicht erfüllt) | ||||
EDT: gebeizt gebeizt + KST |   |   | ||
EDT: gebeizt + passiviert gebeizt + passiviert + KST |   |   | ||
EDT: gebeizt + passiviert + TS gebeizt + passiviert + TS + KST |   |   |   |   |
EDT: gebeizt + reduziert passiviert + TS + KST |   |   |   |   |
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Ergebnisse der Versuchsreihe 1 zeigen, dass weder Rauheit, Trockenschmierstoff noch Klebstoff bei unbehandelten Oberflächen einen entscheidenden Einfluss auf die Schweißqualität haben. Beide Legierungsvarianten weisen mit ihren Zuständen (5182 O und 6016 T4-FH) hochwertige Verschweißungen mit Mill Finish und EDT-Oberfläche auf. Auch die Präsenz von Klebstoff zwischen den zu verschweißenden Blechen zeigt keinerlei negativen Einfluss auf die Ergebnisse. Die Versuchsreihe 2 zeigt für die Legierung 6016 im Zustand T4-FH, dass auch die Produktionsschritte Beizen und Passivieren keinen relevanten Einfluss auf das Widerstandspunktschweißen haben.Für die Legierung 5182 hat sich jedoch gezeigt, dass die Passivierung zu einer erhöhten Spritzerwahrscheinlichkeit und zu einem starken Elektrodenverschleiß führt. Grund dafür dürfte der Aufbau der Ti/Zr-Passivschicht sein, die sich, wie in Abbildung 5 illustriert, zuerst an den intermetallischen Phasen aufbaut und erst anschließend die Lücken schließt [2]. Nachdem 5182 im Vergleich zu 6016 sehr hochlegiert ist, finden sich auch eine große Anzahl an intermetallischen Phasen an der Materialoberfläche. Dadurch können Ti/Zr-Inseln entstehen, die einen deutlich größeren Widerstand als die Aluminiummatrix bieten (siehe Abbildung 5b).Dadurch ergeben sich Gebiete mit hohen und niedrigen Stromdichten, die bei einem zu langen und hohen Anwärmimpuls, wie in V2, schon aufschmelzen können. Bei der Erhöhung der Stromstärke zum Schweißstrom kann das bereits geschmolzene Material aufgrund der hohen Schweißkraft aus dem Schweißlinsenbereich gedrückt werden, noch bevor die Bereiche mit intermetallischen Phasen aufschmelzen. Wird der Vorwärmimpuls kürzer und niedriger gehalten, kommt es zu keinen Anschmelzungen und zu keinen Spritzern wie mit den Schweißparametern V1 gezeigt werden kann. Die große Wärmeeinbringung durch einen hohen und langen Vorwärmimpuls begünstigt auch die Auflegierung an den Schweißelektroden, da auch die Grenzfläche Elektrode-Blech aufweicht und so den Materialübertrag auf die Elektrode erleichtert.Wird die Menge an Passivierungsmedium reduziert, so reduziert sich auch der Leitfähigkeitsunterschied der Bereiche mit und ohne intermetallischen Phasen. Dadurch kommt es zu keinen Anschmelzungen bei hohen und langen Vorwärmimpulsen und die Spritzerwahrscheinlichkeit sowie der Elektrodenverschleiß können den Anforderungen gemäß reduziert werden. Bei der Legierung 6016 zeigen sich trotz oder wegen der noch höheren Leitfähigkeit und dem damit verbundenen geringeren Legierungselementgehaltes keine Auffälligkeiten im WPS-Prozess mit passivierter Oberfläche. Die geringere Anzahl an intermetallischen Phasen reduziert gleichzeitig die Ti/Zr-Inselbildung an der Oberfläche und die höhere Leitfähigkeit verhindert das Anschmelzen im Vorwärmimpuls sowie eine hohe Wärmeeinbringung, die eine Auflegierung an den Elektroden begünstigt. Klebetests an den beiden Legierungen mit reduzierter Passivierung im Rahmen der Kundenanforderungen haben keine negativen Einflüsse auf die Klebeperformance erkennen lassen.
Kundennutzen
Diese Arbeit hat zu fundierten Erkenntnissen hinsichtlich des Einflusses von Material- und qualitativen sowie quantitativen Schweißparametern auf die Schweißqualität geführt. Dadurch können die Ursachen von Schweißfehlern im Kundenprozess identifiziert und Möglichkeiten zur Beseitigung aufgezeigt werden. Für spezielle Schweißparameter lässt sich zusätzlich die Oberflächenbehandlung seitens der AMAG anpassen. Weil die AMAG die Zusammenhänge und Eingriffsmöglichkeiten kennt, ist es ratsam, in Abstimmung mit dem Kunden und in Abhängigkeit von deren Prozessen, die erforderlichen Produktspezifikationen für ein optimales Endprodukt festzulegen.
Literaturverzeichnis:
[1] Moeen Enami, Mohammadreza Farahani, Majid Sohrabian (2016). Evaluation of mechanical properties of Resistance Spot Welding and Friction Stir Spot Welding on Aluminium Alloys, International Conference on researches in Science and Engineering [2] Andreatta, F., Turco, A., de Graeve, I., Terryn, H., de Wit, J., & Fedrizzi, L. (2007). Surface and Coatings Technology, 201(18), 7668-7685. https://doi.org/10.1016/j.surfcoat.2007.02.039