Widerstände überwinden mit aluminium
Aluminium als preiswerte Alternative zu Kupfer in „Bus Bars“
Energiewende
Die dezentrale Elektrifizierung der Infrastruktur spielt eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität unserer Gesellschaft. Zahlreiche elektrische Applikationen erleben einen wahren Boom, seien es Solaranlagen und Heimenergiespeicher im Bauwesen oder Ladeinfrastruktur und Batterien für die Elektromobilität. Sämtliche Anwendungen verbindet dabei eine wichtige Komponente: kosteneffiziente elektrische Leiter mit einem geringen elektrischen Widerstand, die dabei zudem eine gute Verarbeitbarkeit aufweisen. Im englischen Sprachgebrauch werden diese elektrischen Leiter als „Bus Bars“ bezeichnet.
Große Kostenvorteile gegenüber Kupfer
Basierend auf der hohen spezifischen elektrischen Leitfähigkeit, dem niedrigen Wärmeausdehnungskoeffizienten und der Korrosionsbeständigkeit hat sich Kupfer in der Vergangenheit als Werkstoff der Wahl für stromführende Anwendungen etabliert. Im Hinblick auf Leichtbauinteressen und aus kommerzieller Sicht stellt Aluminium jedoch durch kontinuierliche Werkstoffoptimierungen eine bessere Alternative dar [1].Mit einer Dichte von 8,96 g/cm³ weist Kupfer eine mehr als dreimal so hohe Dichte im Vergleich zu Aluminium mit 2,70 g/cm³ auf [2]. Gleichzeitig liegt der Metallpreis von Kupfer fast viermal über dem des Aluminiums (Stand: Juli 2024), weshalb trotz des Nachteils der geringeren elektrischen Leitfähigkeit große Kosten- und Gewichtseinsparungen mit Aluminium erzielt werden können [3]. Aluminiumleiter benötigen demzufolge etwas erhöhte Querschnitte gegenüber Kupferleitern, um die gleiche Dichte an elektrischem Stromfluss zu gewährleisten.
Legierungsfamilien
Innerhalb des Werkstoffs Aluminium existieren zwei Legierungsfamilien, die sich für den Einsatz in Bus Bar Applikationen eignen.Einerseits umfasst dies die 1xxx- Legierungen mit fast reinem Aluminium und andererseits die 6xxx-Legierungen aus Al-Mg-Si. Obwohl reine 1xxx-Aluminiumlegierungen eine höhere elektrische Leitfähigkeit erzielen können, sind sie zum Teil zu weich für die Anforderungen innerhalb des Verarbeitungsprozesses.Zusätzlich wird aufgrund ihrer Reinheit ein höherer Anteil an Primäraluminium benötigt, was wiederum mit einem höheren CO2-Fußabdruck einhergeht [4].
Ein wichtiger Faktor für Bus-Bar-Anwendungen ist eine hohe Biegefähigkeit des Materials bei der Verarbeitung, um beispielsweise den Platzbedarf im kompakten Batterieverbund zu reduzieren. Aluminium bietet gegenüber Kupfer aufgrund eines besseren Festigkeits-Gewichts-Verhältnisses bei Al-Mg-Si-Legierungen einen zusätzlichen Vorteil [5].
Einflussfaktoren auf die elektrische Leitfähigkeit
Für Anwendungen mit hoher elektrischer Leitfähigkeit ist die Legierung EN AW-6101 am weitesten etabliert. (Chemische Zusammensetzung siehe Tabelle 1.)Die elektrische Leitfähigkeit eines Materials wird im Wesentlichen von zwei Einflussvariablen bestimmt: Auf der einen Seite durch die chemische Zusammensetzung und auf der anderen Seite durch den Lösungszustand der Legierungselemente im Basiswerkstoff [6]. Infolge ihres hohen spezifischen elektrischen Widerstands reduzieren die Elemente Chrom, Lithium, Titan, Vanadium und Mangan die Leitfähigkeit des Gefüges stark.Mangan ist dabei von besonderer Bedeutung für die Endverwendung, da es sich dabei um ein typisches Nebenelement in einer 6xxx-Legierung handelt [2].
EN AW-6101 | Si | Fe | Cu | Mn | Mg | Cr | Zn |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Min. | 0,30 | 0,35 | |||||
Max. | 0,70 | 0,50 | 0,10 | 0,03 | 0,80 | 0,03 | 0,10 |
Die elektrische Leitfähigkeit steigt, wenn die Legierungselemente im Gefüge im ausgeschiedenen Zustand grob vorliegen. Dies ermöglicht den Elektronen, sich freier durch das Gefüge zu bewegen. Im gelösten Zustand und mit einer feinen Verteilung der Legierungselemente wird die gesamte Aluminium-Matrix verzerrt und das Wandern der Elektronen behindert, weshalb die Leitfähigkeit abnimmt. Im Gegensatz dazu verringert die Bildung von groben Mg2Si-Ausscheidungen die Festigkeit, weshalb ein Kompromiss zwischen diesen Materialeigenschaften berücksichtigt werden muss.Das Material wird ausgehend vom Zustand T4 über den Zustand T6 schließlich in den überalterten Verarbeitungszustand T7 überführt und an den Kunden ausgeliefert [7, 8]. Der Zustand T7 ist dadurch weich und besticht durch eine sehr gute Verarbeitbarkeit.
Zustandskinetik von 6xxx- Legierungen
Der Mechanismus zur Festigkeitssteigerung bei 6xxx-Legierungen beruht hauptsächlich auf der Bildung von Mg2Si-Ausscheidungen und deren Zwischenstufen. Diese Ausscheidungen behindern das Gleiten von Versetzungen auf den Gleitebenen. Als Versetzungen werden eindimensionale Gitterbaufehler bezeichnet, die durch ihr Gleitverhalten in der Mikrostruktur die Festigkeit eines Werkstoffes charakterisieren. Nach dem Walzprozess wird diese Legierung einer Lösungsglühung und anschließenden Abschreckung auf Raumtemperatur unterzogen, um die Legierungselemente in eine übersättigte Lösung zu überführen. Dieser Zustand wird als T4 definiert. Das Material ist weich und leicht formbar, aber da die Legierungselemente in Lösung sind, behindern sie auch den Elektronenfluss und führen zu einer geringeren elektrischen Leitfähigkeit [6]. Im Gegensatz zu klassischen Anwendungen im Karosseriebau, stellt der Zustand T4 aufgrund dessen keine Option für die Produktion von elektrischen Leitern dar. Anschließend werden deshalb mittels Auslagerungsglühungen die Zwischenstufen der Ausscheidungen gebildet, um die gewünschte Festigkeit und elektrische Leitfähigkeit des Materials einzustellen. Der beste Kompromiss aus Festigkeit und Leitfähigkeit wird in der Regel durch den überalterten Zustand T7 erzielt, wobei der Festigkeitspeak des Werkstoffs bereits überschritten wurde und wieder deutlich abgesunken ist. Die feinverteilten Ausscheidungen schließen sich zusammen und wachsen zu wenigen großen Mg2Si-Ausscheidungen heran. Deshalb ist die Festigkeit im Zustand T7 geringer als im Werkstoffzustand T6 [7, 9]. Die Abbildung 1 verdeutlicht, welche Auswirkungen der Verlauf von Zeit und Temperatur auf die Werkstoffzustände hat.
Charakterisierung der elektrischen Leitfähigkeit
Es bestehen zwei Möglichkeiten, die elektrische Leitfähigkeit eines Werkstoffes anzugeben. Einerseits kann die Leitfähigkeit mithilfe von Siemens (S) als Kehrwert des spezifischen Widerstands eines Materials über eine bestimmte Länge definiert werden. Der Stromfluss ist direkt proportional zur Anzahl der Elektronen, die pro Sekunde durch einen Querschnitt eines Leiters fließen. Siemens beschreibt die Fähigkeit eines Materials, diesen Fluss zu unterstützen, nicht die Anzahl der Elektronen selbst. Kupfer erreicht zum Beispiel eine Leitfähigkeit von circa 58 Megasiemens pro Meter (MS/m) [1].
Als ein anderer Standard zur Beschreibung der elektrischen Leitfähigkeit fungiert die Vergleichsangabe zu reinem geglühtem Kupfer bei 20 °C und dieser Wert wird als „Prozent International Annealed Copper Standard“ (% IACS) bezeichnet. Ein Werkstoff mit einer Leitfähigkeit von 50 % IACS besitzt eine Leitfähigkeit, die im Vergleich zu reinem Kupfer halb so hoch ist [1].
Produktionsverfahren
Prinzipiell können Aluminium-Bus Bar-Produkte über die zwei Fertigungsverfahren Strangpressen oder Walzen hergestellt werden. Gewalztes Material liefert dabei wesentliche Vorteile:
- Wärmeableitung - Die meist flacheren Geometrien ergeben eine größere spezifische Oberfläche, wodurch die entstehende Wärme in der Endanwendung schneller abgeführt werden kann.
- Toleranzen - Es sind deutlich engere Dimensionstoleranzen darstellbar.
- Homogenität - Eine gleichmäßigere Gefügestruktur ermöglicht ein ausgeglicheneres Materialverhalten.
AMAG Lösung AL4® ED 6BB-150
Um dem Kundenbedarf nach elektrischen Leiterwerkstoffen bestmöglich gerecht zu werden, hat die AMAG die neue Produktgruppe AL4® ED 6BB-150 entwickelt. Die Produktentwicklung der neuen Güte ist ein mustergültiges Beispiel für die Synergieeffekte, die das breite AMAG-Portfolio bietet. Ursprünglich wird ein ähnliches Produkt bereits für Blitzableiter im Flugzeugbau eingesetzt und im Serienmaßstab hergestellt. Auf dieser Grundlage konnte schnell und effizient das passende Material produziert werden. Nachfolgend wird eine Übersicht zu verschiedenen Produktkennwerten gegeben.
Produktfakten (Blechdicke 3,0 mm):
- Elektrische Leitfähigkeit bis zu 58,1 % IACS (33,7 MS/m),
- Dehngrenze Rp0,2 von mindestens 150 MPa,
- Korngröße von 50 μm,
- Biegefähigkeit von 180° gemäß ASTM290 (Radius N=1).
Da mithilfe der abschließenden Überalterungsglühung das Verhältnis von Festigkeit zur elektrischen Leitfähigkeit signifikant beeinflusst wird, kann je nach individuellem Kundenbedarf eine neue Variante mit einem angepassten Eigenschaftsfenster kreiert werden. In dem aufgezeigten Produktbeispiel liegt der Fokus auf einer Mindestfestigkeit von 150 MPa, wobei eine Leitfähigkeit von 58,1 % IACS erzielt wird. Bei Anforderungen mit einer niedrigeren Festigkeit können größere Leitfähigkeiten generiert werden. Im Gegensatz dazu führen höhere Festigkeitsanforderungen zu Material mit einer niedrigeren Leitfähigkeit. Entsprechend der AMAG DNA ist für diese Neuentwicklung Nachhaltigkeit ein essenzielles Kriterium, sodass das Produkt ebenso als AL4® ever-Variante mit garantiertem und reduziertem CO2-Fußabdruck hergestellt werden kann.
Biegefähigkeit
Als wichtiges Verarbeitungskriterium ist die Biegefähigkeit genannt worden. Das AMAG Produkt AL4® ED 6BB-150 wurde nach ASTM E290 geprüft, wobei der Biegeradius N=1 der Blechdicke von 3,0 mm entsprach. Der Faktor N beschreibt innerhalb der Biegeoperation, über welche Breite der Biegeradius im Vergleich zur Blechdicke der Probe verfügt. Bei einem Wert von 1 ist der Biegeradius ident zur Probendicke und in diesem Fall 3,0 mm. Als Mindestvoraussetzung für typische Anwendungen wird 90° rissfreie Biegung gefordert. In Abbildung 2 sind Proben der Biegeprüfung über verschiedene Positionen innerhalb eines Coils dargestellt und es konnte ein sehr gutes Biegeergebnis mit einem Biegewinkel von 180° erzielt werden. Damit übererfüllt das AMAG-Produkt die Mindestanforderung beträchtlich.
Resümee
Mit der Produktfamilie AL4® ED 6BB-150 bietet AMAG eine innovative Lösung für Bus Bar Anwendungen, die den Anforderungen an Kosteneffizienz, elektrische Leitfähigkeit und Verarbeitbarkeit in höchstem Maße gerecht wird.Dank langjähriger Expertise und kontinuierlicher Werkstoffoptimierungen ist es gelungen, Aluminium als preiswerte und leistungsfähige Alternative zu Kupfer zu etablieren. Nutzen Sie die Vorteile maßgeschneiderter Lösungen aus dem Hause AMAG, um Ihre Projekte effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Kundennutzen
- Immenses Kosteneinsparungspotenzial gegenüber Kupfer
- Gewichtsreduktion
- Hervorragende Verarbeitbarkeit
- Hohe Flexibilität der Materialeigenschaften für spezifische Kundenanforderungen
Literatur:
[1] Man Y (2016) Aluminium cables in automotive applications: Prestudy of aluminium cable uses in Scania products & failure analysis and evaluation. KTH Royal Institute of Technology, Stockholm http://kth.diva-portal.org/smash/get/diva2%3A954680/FULLTEXT01.pdf. Accessed 18 August 2023[2] Mondolfo LF (1979) Aluminum alloys - Structure and properties. Butterworths, London[3] London Metal Exchange (2024). In: LME Historical Market Data - LME Monthly Average Prices. https://www.lme.com/en/Market-data/Accessing-market-data/Historical-data. Accessed 03 July 2024[4] Flores EU, Seidman DN, Dunand DC & Vo NQ (2018) Development of high-strength and high-electrical-conductivity aluminum alloys for power transmission conductors. Light Metals 247(15):247-251 https://doi.org/10.1007/978-3-319-72284-9_34[5] Sampaio R, Zwicker MFR, Pragana JPM, Bragança I, et al. (2022). Busbars for e-mobility: State-of-the-Art Review and a New Joining by Forming Technology. In Davim JP (Ed.), Mechanical and Industrial Engineering. Materials Forming, Machining and Tribology. Springer, Cham, p 111-141 https://doi.org/10.1007/978-3-030-90487-6_4[6] Fortin PE (1972) Factors influencing electrical conductivity and strength of aluminum and its alloys. Canadian Metallurgical Quarterly 11(2):309-315 https://doi.org/10.1179/cmq.1972.11.2.309[7] Khangholi S, Javidani M, Maltais A & Chen G (2022) Review on recent progress in Al-Mg-Si 6xxx conductor alloys. Journal of Materials Research 37(3):670-691 https://doi.org/10.1557/s43578-022-00488-3[7] Sauvage X, Bobruk EV, Murashkin MY, et al. (2015) Optimization of electrical conductivity and strength combination by structure design at the nanoscale in Al-Mg-Si alloys. Acta Materialia 98:355-366 https://doi.org/10.1016/j.actamat.2015.07.039[7] Pogatscher S, Antrekowitsch H, Leitner H, et al. (2011) Mechanisms controlling the artificial aging of Al-Mg-Si Alloys. Acta Materialia 59 (9):3352-3363 https://doi.org/10.1016/j.actamat.2011.02.010
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